Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung | |
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Stufen: wie sie schnell wächst, wovon sie lebt, wie sie abnimmt, wie sie betrügt und ihre Diener verzehrt!“
In diese Kunst zu lieben brachte man die Förmlichkeit der damahligen Zeit. Man weihte sich dem Dienste der Damen, und ward von ihnen darin aufgenommen, unter gewissen Ceremonien, die von der Lehnsinvestitur entlehnt waren. [1] Man trug Gürtel, Ringe, Aermel der Dame, und sie nahm wieder solche Zeichen der Liebe von ihrem Liebhaber an. [2] Man ließ Messen lesen, und brannte Kerzen, um die Spröde zu erweichen. [3] Man ließ sich, wenn man brechen wollte, durch einen Priester die Absolution geben, [4] oder die neue Geliebte forderte wenigstens eine Erlassung des Schwurs von der Verlassenen, [5] ehe sie die Aufwartung des vorhin gebundenen Liebhabers annahm.
So erscheinen die edleren Geschlechtsverbindungen von der gewöhnlicheren Art in der Dichterwelt der Troubadours, und bestehen neben denen von der höheren, geistigeren Art. Sie geben Veranlassung zu einer Menge von elegischen Situationen. Es fragt sich: waren sie in die wirkliche Welt übergegangen? und dann: waren sie allgemein verbreitet?
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser oder jener Ritter oder Troubadour mit seiner Dame wirklich in solchen Verbindungen gestanden habe. Aber häufig
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.2.djvu/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)