Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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durch dieß Band zusammengebracht sind, und der Liebhaber dadurch ein Recht erhalten hat, den Zweck seines Strebens zu erreichen; so hat die Intrigue ihr Ende erreicht.
Hieraus erhellet sogleich, daß Achilles Tatius von der Liebe einen viel weniger geläuterten Begriff hatte, als Jamblichius, Chariton und Xenophon. Bey ihm heißt lieben: nach dem unnennbaren Genusse, und nach dem Besitze der Person durch diesen streben. Standhaft lieben heißt bey ihm diesen Genuß unausgesetzt verfolgen.
Die Schwierigkeiten, welche ihm entgegengesetzt werden, liegen nicht in dem Stolze des Weibes, nicht in seinen Gefühlen von Schamhaftigkeit, Pflicht, kurz! in inneren Bedenklichkeiten der Geliebten. Nein! nichts ist leichter bey ihm, als die Eroberung des Herzens der Geliebten; nichts kürzer, als die Bewerbung um Gegenliebe. Es liegt auch nicht an der Leucippe, sondern an äußern Verhältnissen und Befehlen der Götter, wenn sie ihm vor der Hochzeit nicht alles einräumt, was sie einzuräumen hat.
Dieß hängt gewiß mit der Entstehungsart dieser Liebesgeschichte zusammen. Ich habe gesagt, daß wahrscheinlich die alte Komödie das ferne Muster dazu hergegeben hat. Vielleicht ist sogar der Stoff aus mehreren Komödien und Pantomimen zusammen genommen. Im Schauspiele kann mit der Bewerbung nicht viel Zeit verloren werden. Die jungen Leute lieben sich schon, ehe der Autor sie auf der Bühne erscheinen läßt. Nun kommt es nur darauf an, die Schwierigkeiten zu überwinden, welche Anverwandte, Nebenbuhler und andre äußere Verhältnisse der Heirath entgegen setzen.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/399&oldid=- (Version vom 1.8.2018)