Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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Die Sokratische Schule hatte Lieblinge geliebt, – darum mußten die Sophisten und Grammatiker dieser Liebe gleichfalls ergeben seyn. Sie lasen von einer Diotima, der Sokrates die Kunst zu lieben abgelernt haben wollte, schnell setzten sie eine Liebesintrigue zwischen beyden zusammen. Epikur sollte eine gute Freundin an der Leontium, Menander an des Glycere gehabt haben; nun mußte sich jeder Philosoph, jeder Dichter eine Beyschläferin zulegen.
Die mehrsten Werke welche uns einige Aufklärung über die Sitten dieser Zeit geben könnten, rühren von solchen Rhetoren und Grammatikern her. Es wird viel Behutsamkeit erfordert, um dasjenige, was Sitte ihrer Zunft ist, von den Sitten ihrer übrigen Zeitgenossen, und Beydes wieder von demjenigen abzusondern, was sie uns für Sitte der Vorwelt verkaufen. Inzwischen bey aller Mühe, die sie angewandt haben, sich in die Periode des Flors von Griechenland hinein zu versetzen, bricht doch die veränderte Denkungsart an unzähligen Stellen durch.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/354&oldid=- (Version vom 1.8.2018)