Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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Da aber die andere Sekte dauernde Anhänglichkeit, ausschließende Treue und Aufopferung verlangte; [1] so hat Properz, der viel mehr für das Publikum, als für sich selbst dichtete, sich auch in diese Denkungsart geschickt. Er schildert uns daher Matronen, die es für ruhmwürdig halten, ihr Herz und ihre Hand nur einmahl zu verschenken: [2] Männer, die selbst nach dem Tode des geliebten Gegenstandes diesem unverrückte Treue bewahren, [3] und sogar ihre Leidenschaft mit sich in die Unterwelt nehmen. [4]
Properz hat hauptsächlich den Griechen nachgeahmt. Ich fühle mich aber nicht im Stande, dasjenige, was in seiner Darstellung der Liebe mehr griechisch als römisch ist, anzugeben.
Horaz war ein viel zu feiner Egoist, als daß er Begriffe und Gefühle von wahrer Liebe hätte haben können. Er hing ganz derjenigen Sekte an, welche aus der Liebe einen verfeinerten Sinnengenuß und einen unterhaltenden Zeitvertreib machte. Wenn er einigemahl Bilder einer treuen, aufopfernden Anhänglichkeit darstellt, so geschieht es in der Situation eines augenblicklich
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/336&oldid=- (Version vom 1.8.2018)