Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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sollte. „Du wirst mir stets werth seyn, sagt er, du magst die meinige werden, oder nicht. [1] „Sollte ich dich nie Gattin nennen dürfen, so wirst du mir als Schwester noch immer theurer als mein Leben bleiben. [2] Sehr charakteristisch sagt er an einer andern Stelle: „du bist mir so theuer, wie keine Tochter ihrer Mutter, wie kein schönes Mädchen dem bloß begehrenden Manne ist!“ [3]
Uebrigens finden wir in diesem Verhältnisse wieder die nehmlichen Züge des Triebes nach Häuslichkeit, der Fähigkeit, sich ganz anzuhängen, und das Wohl der Geliebten seinem eigenen vorzuziehen. Mit ihr vereint, verschmäht er die Schätze der Erden, und wünscht in Armuth ruhig mit seiner Gattin zu leben. [4] Und o! des himmlischen Zuges wahrer Liebe! Als sie bereits ihre Hand einem Andern gegeben hat, da ruft er ihr noch zu: „Sey glücklich! Heiter sey der Lauf deiner Tage, ob ich dir gleich nichts mehr bin. Treulose! selbst treulos bleibst du mir noch werth!“ [5]
Ich glaube durch diese Ausführung mein oben gefälltes Urtheil über unsern Dichter gerechtfertigt zu haben. Uebrigens findet man bey ihm den Geist der römischen Intrigue, von der ich oben gesprochen, und die ich näher charakterisiert habe. Nicht innere Schamhaftigkeit
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/325&oldid=- (Version vom 1.8.2018)