Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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Laune, und die gefällige Gewandtheit seines Witzes nie verläugnen! [1] Was er von dauernder Anhänglichkeit und leidenschaftlicher Hingebung sagt, das spricht er den Griechen nach, und das geräth ihm am schlechtesten. [2]
Wenn man die Zeugnisse der Geschichtschreiber, die Rügen der Sittenlehrer, die satyrischen Ausfälle der Dichter über die Ausgelassenheit der Römer zu den Zeiten der ersten Kaiser zusammenstellt, und sich daraus ein Bild der herrschenden Denkungsart unter der vornehmeren und wohlhabenderen Classe dieses Volks entwirft; so wird man leicht in Versuchung geführt, zu glauben, das, was man gute Sitte nannte, habe die gröbste, die schamloseste, die verkehrteste Befriedigung körperlicher Begierden gebilligt: oder es habe vielmehr gar keine gute Sitte im eigentlichen Verstande des Worts existiert. Alles, was man von der Ausgelassenheit der verdorbensten Höfe und Städte zu unsern Zeiten anführt, kommt bey weitem demjenigen nicht gleich, was die angeführten Schriftsteller von dem damahligen Rom erzählen. Ihnen zufolge, hat man nur daran gedacht, die abgestumpften Sinne durch abentheuerliche Formen des unnennbaren Genusses wieder zu erwecken, und dieß
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/299&oldid=- (Version vom 1.8.2018)