Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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geräth. Alles das paßt nicht auf Liebe, sondern höchstens auf die niedrigste Lascivität.
Es muß diese Darstellungsart der Liebe nothwendig auf den Grundsatz führen, in einer wildumherschweifenden Begierde, und in der größten Ausgelassenheit der Sitten ein Rettungsmittel gegen eine den Menschen so sehr herabwürdigende Leidenschaft zu suchen.
Das System des Lukrez hat sich inzwischen allen denen empfehlen müssen, die bereits einen Grund für gewisse Erscheinungen angegeben zu haben glauben, wenn sie nur dasjenige auffassen, was ihnen am nächsten zur Hand liegt: die Sinne, aber kein Herz haben, und in einer klugen Befriedigung ihrer Triebe die Bestimmung des Menschen suchen.
Aristoteles trifft in seinen Ideen über diesen Gegenstand mehr wie jeder andere Philosoph unter den älteren Griechen mit denen unsers Zeitalters, und meiner Ueberzeugung nach, mit der Wahrheit zusammen. Seine Begriffe von demjenigen, was er Freundschaft, Liebe und Wohlwollen nennt, sind freylich etwas schwankend und unbestimmt; aber überall fühlt man doch die Ahnung des wahren Wesens der Liebe. Das weibliche Geschlecht und die Gattenliebe erhalten unter seinen Händen eine höhere Würde, und die Männerliebe hat bey ihm nicht das Ansehn, das ihr sein Lehrer Plato gegeben hatte.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/254&oldid=- (Version vom 1.8.2018)