Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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einzuschränken, und alle Leidenschaft zu verdammen. [1] Nichts war auch der Lage der mehrsten spätern Staatsverfassungen angemessener. Denn nach dieser konnte die Ausbildung des Bürgers zur Begeisterung und leidenschaftlichen Aufopferung seiner selbst theils wenig Nutzen schaffen, theils nur auf Rechnung gröberer Triebe gesetzt werden. Wir werden sehen, daß alle spätern Systeme in diesem Punkte zusammentreffen.
Die neueren Platoniker haben sich viel mit dem Schönen und mit der Liebe beschäftigt, und dabey die bilderreichen Ideen ihres Stifters auf mancherley Art erklärt. Allein sie konnten in ihren wahren Geist nicht eindringen, und ihre Untersuchungen beschäftigten sich daher nicht sowohl mit der Liebe zum Geschlecht, als mit jener allgemeinen Anziehungskraft, wodurch die Geschöpfe unter sich und mit Gott zusammenhängen. Da man Gott als den Urquell alles Schönen, ja, für das Schöne selbst ansah, und Liebe für die Neigung zum Schönen hielt; so gab dieß Gelegenheit, eine Menge mystischer Ideen über das Verhältniß der Kreaturen zu Gott, und den Vereinigungstrieb mit ihm einfließen zu lassen, wobey man zugleich einen reichen Gebrauch von den damahligen mangelhaften Kenntnissen in der Naturlehre und Astronomie machte.
Ich bin außer Stande, den Einfluß, den dieser Mysticismus auf die Ideen über die Verbindung mit dem zärteren Geschlechte gleich anfangs gehabt hat, zu beurtheilen. Aber gewiß ist es, daß er nach der Zeit, da die Neuplatonische Philosophie in die Mahumedanische
- ↑ Questiones Tusculanae Libr. IV.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/239&oldid=- (Version vom 1.8.2018)