Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
|
aber auch daraus erklären, daß er seine Grundsätze auf verschiedene Lagen und Personen anwendet.
In dem Buche von den Gesetzen betrachtet er den ganzen Haufen der bürgerlichen Gesellschaft, wie er in der wirklichen Natur ist, und durch öffentliche allgemeine Erziehung und Gesetze geleitet werden soll. Und für diese ist es am vortheilhaftesten, um allem Mißbrauch vorzubeugen, ihr jede leidenschaftliche Liebe unter Personen von einerley Geschlecht zu verbieten. In dem Phädrus und in dem Gastmahle betrachtet er den einzelnen auserlesenen Menschen, wie er in der Schule des Philosophen ausgebildet und bewacht werden kann. In der Republik aber formt er einen idealischen Staat, in dem Alles, sogar die Sittlichkeit des einzelnen Bürgers, dem allgemeinen Besten untergeordnet werden soll. Er sucht in der größten Ausgelassenheit der Begierden ein Mittel gegen leidenschaftliche Verbindungen unter einzelnen Personen.
Ich komme nun auf die Vergleichung der Ideen des Plato mit denen des Xenophon.
Im Allgemeinen kann man von ihnen sagen: daß Xenophon den Menschen und seine Verhältnisse so ansieht, wie sie im gemeinen Leben erscheinen: daß Plato hingegen ihn so anschauet, wie er mit ausgezeichneten Anlagen unter selbst gewählten, und erst zu schaffenden Verhältnissen erscheinen könnte. Beyde haben daher auch ganz verschiedene Begriffe von Menschenwerth und Vollkommenheit. Beym Xenophon ist der edle und schöne Mann ein Athenienser, wie es
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/226&oldid=- (Version vom 1.8.2018)