Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
|
Körper so gut und besser befördert werden, als in einem schönen, der jenen tausend Gefahren der Ableitung von seinem Zwecke aussetzt.
Gewiß bleibt es indessen, daß es privilegierte Seelen giebt, die das Bedürfniß fühlen, ihre Erfahrungen, ihre Kenntnisse, ihre Grundsätze, selbst die Stärke und die Fertigkeit, welche sie in ihrer Ausübung erworben haben, kurz! den ganzen Adel ihres Daseyns, in die Seele eines Nachkömmlings niederzulegen! Unfähig der niedrigen Neigung, ein Verlangen nach ihrem verlornen Verdienste zu hinterlassen, suchen sie zum Besten einer Wissenschaft, einer öffentlichen Anstalt des Staats oder gar der Menschheit, sich in ihren Nachfolgern zu reproducieren. Zwischen diesen Anerziehern eines geistigen Kindes und den leiblichen Vätern ist allerdings eine gewisse Aehnlichkeit, und diese hat wahrscheinlich mit dazu beygetragen, daß Plato den unnennbaren körperlichen Trieb und diesen Bildungstrieb des Geistes für Eins gehalten hat. Allein Beyde sind nicht unbedingt für Liebe zu halten; und sehr oft liegt selbst bey dem Wunsche, einen Nachfolger in unsern Vorzügen zu haben, bloß veredelte Selbstheit zum Grunde.
Ich kehre zum Plato zurück.
Diotima geht zur Entwickelung der höchsten Geheimnisse der Liebe über. Allein hier werden die Wonne der Beschauung und die Begeisterung, welche sich so leicht in jene mischt, völlig mit der Liebe verwechselt.
„Wer in dieser Art von Liebe glücklich seyn will, sagt sie, der muß als Jüngling schon an schönen Körpern Wohlgefallen finden. Wenn ihn sein guter
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/215&oldid=- (Version vom 1.8.2018)