Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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liegen feinere Bestimmungen unter. In Elis und Böotien, wo man sich durch Geist und gebildeten Ausdruck eben nicht auszeichnet, ist es ohne Einschränkung erlaubt, den Liebhabern zu willfahren: weder Jung noch Alt nimmt dort ein Aergerniß daran. Man hat sich der Verlegenheit, das Herz der Jünglinge durch Worte zu gewinnen, überheben wollen. In Ionien hingegen, und bey allen andern Völkern außer Griechenland, wird es eben so ohne Einschränkung für unerlaubt gehalten. Ganz begreiflich! Da, wo der Wille des Despoten Gesetz ist, da muß dieß noch weit mehr, als selbst Philosophie und Gymnastik, verboten seyn. Denn was ist dem Interesse der Tyrannen gefährlicher, als große Gesinnungen und enge Freundschaftsbündnisse ihrer Unterthanen? Und was erzeugt sicherer als Liebe diese edlen Früchte? – – Waren es nicht Harmodius und Aristogiton, welche die Herrschaft der Pisistratiden stürzten? –
„Jenes einfache Gesetz in Rücksicht der Liebe scheint also allerdings verdächtig. Wo die Willfahrung der Liebenden schlechthin verboten ist, da darf man immer den Verfall der Nation, eine despotische Herrschsucht der Regenten, und sclavische Feigheit der Unterthanen; wo sie schlechthin erlaubt ist, Stumpfheit des Geistes bey dem Volke, das einem solchen Gesetze unbedingt huldigt, vermuthen. Richtiger denkt man darüber in Athen. Aber, wie schon gesagt, unser Gesetz ist nicht so leicht zu fassen. Bey uns hört man oft: edler sey es, offenbar zu lieben als im Verborgenen; man müsse edle und vornehme Jünglinge wählen, und sich durch diese Vorzüge in
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/195&oldid=- (Version vom 1.8.2018)