Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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und antwortet auf die Frage: woher sie das alles weiß? – Ich liebe!
Es ist nicht zu läugnen, daß alle diese Züge bey der Beschauung die Wonne am Schönen erwecken. Aber kann ein einziger davon unmittelbar dem Streben nach der Ueberzeugung, den andern glücklich zu wissen, beygelegt werden? Gehören sie nicht alle weit mehr einer auf Sympathie geimpften Selbstheit?
Ich kann keinen Gegenstand ästhetisch veredeln und verschönern, wenn ich nicht vorher den Begriff von seinem Wesen und seiner Bestimmung gefaßt habe. Sonst laufe ich Gefahr, ihm einen falschen Adel, oder einen falschen Schmuck beyzulegen, der ihn in andern Rücksichten gerade erniedrigt und verunziert.
Sobald ich die Anlage des Menschen zu geselligen Trieben überhaupt darstelle; so sind die eben angeführten Beyspiele ästhetisch edel und schön. Die Aufopferung einer Dido ist wahr und zweckmäßig zur Darstellung der Stärke einer geselligen Leidenschaft überhaupt, in Vergleichung mit dem eigensinnigen Entschluß einer Miß Bellarmi, die um einer geringen Veranlassung willen mit dem Geliebten auf ewig bricht, und ihn und sich aus Eigensinn für beständig unglücklich macht. Die Lebhaftigkeit eines Rousseau beym Anblick der Pervenche ist zweckmäßig zur Darstellung einer zarten Empfindsamkeit für gesellige Verhältnisse, in Vergleichung mit dem
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)