Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
|
Dadurch erhält unser Geschmack etwas Allgemeingültiges; unser Urtheil über ihn ist ästhetisch.
Kein Wunder also, daß wir die Schönheit des menschlichen Körpers zuerst als das Ideal aller sichtbaren Schönheit, dann aber auch für alle nicht sichtbare körperliche, und sogar unsinnliche Formen ansehen, die als solche ein Ganzes ausmachen, das nach Gattung und Art einem Begriffe von seinem Wesen und seiner Bestimmung unterworfen werden kann. Liefert dieß Ganze ästhetisch schöne Bilder und Gefühle, die zugleich mit dem Begriffe von seinem Wesen und seiner Bestimmung in uns aufsteigen, und diesen sogar erhöhen; so ist die Form des nicht sichtbaren, gar unsinnlichen Gegenstandes, eine Schönheit.
Daher giebt es Schönheiten in der Tonkunst, in der Poesie, in der Urbanität, sogar in den Sitten, in so fern wir den Anstand, die äußere Form der innern Gesinnung, als ein Ganzes betrachten.
Unter dem Schönen wird oft das Vollkommne mit begriffen, weil es gleichfalls oft auf den Beschauungshang wirkt. Auch der Ausdruck edel begreift oft das Vollkommne in sich. Man sagt daher verschönern und veredeln für vervollkommnen.
Allein bey genauerer Prüfung läßt sich ein merklicher Unterschied zwischen diesen drey Begriffen antreffen, der nothwendig näher entwickelt werden muß.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)