Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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Gegenstande wieder etwas Form und Gehaltmäßiges wahrnehmen.
Alle Werke der schönen Künste gehören zu dem Gebiete des Schönen, weil sie in Vergleichung mit wirklichen Gegenständen der Natur und der Künste des Nutzens als Formen erscheinen, und das Wesen in uns, worauf sie wirken, in Vergleichung mit demjenigen, wodurch wir über das wirklich Vorhandene und wirklich Brauchbare urtheilen, zu dem niedern an uns gehört.
Allein an diesen schönen Werken giebt es wieder vieles, das wir ihrem innern Gehalt beylegen, und in Vergleichung mit demjenigen, was unsere Sinne und unsern Instinkt zur Wollust und Wonne reitzt, zum Edeln rechnen. Z. B. die Natur des Apollo von Belvedere gehört zu dem Gebiete des Schönen, in Vergleichung mit dem Charakter eines Cato, der den Untergang der Republik nicht überleben will. Allein die Hoheit des Ausdrucks, die über die ganze Figur des Apollo ausgegossen ist, gehört, in Vergleichung mit seiner todten Gestalt, zu dem Edlen.
Auf der andern Seite haben auch alle Gegenstände, die wir zu dem Edeln rechnen, etwas Formartiges an sich, was im Gegensatze zu dem innern Gehalte als Schön beurtheilt werden muß. Z. B. Aufopferung für andere gehört zu dem Edeln. Aber die Worte, die Geberden, die Handlungen, worin sich diese Aufopferung einkleidet, werden mit Recht zu dem Schönen gerechnet.
So wie man das Edle in das unbestimmte und ästhetisch Edle eintheilt, so muß eben diese Eintheilung bey dem Schönen Statt finden.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)