Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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mit euch von der übrigen Welt, bloß dieß Gefühl einflößen könnte, würde euer Herz nicht lange besitzen. Aber was diesem so wohl thut, ist der Gedanke: daß der Mann, der so lieben kann, euch von allen andern Weibern beneidet wird!
Es giebt noch eine Art von Weibern, bey denen scheint der Beschauungshang allein den Schlüssel zu ihrem Herzen zu haben. Sie lieben das Ungewöhnliche, Seltene, Außerordentliche in dem Manne, hängen sich diesem allein an, oft ohne Gegenliebe, mit Aufopferung aller Selbstheit! Doch nein! Sie rechnen darauf, mit der Zeit den Geist, der den ihrigen besitzt, durch sein Herz zu gewinnen, und wenn sie ihn durch Zärtlichkeit zu sich herunter gezogen haben werden, ihrem Herzen und ihrem Stolze einen erhöheten Genuß zu bereiten.
So bleiben also die drey Gefühle: der Mann ist mir wichtig, ich bin ihm unentbehrlich, er ist werth, andern mit mir wichtig zu seyn – Gefühle, die dem Eigennutze der Sympathie und dem Beschauungshange immer zugleich angehören – Ingredienzien zu jeder Zärtlichkeit oder Leidenschaft. Derjenige, der diese erwecken will, muß jene Gefühle in dem Herzen der Geliebten zu gründen wissen.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/207&oldid=- (Version vom 1.8.2018)