Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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Nichts ist nehmlich natürlicher, als daß wir den innern Gehalt der Dinge unserm Geiste assimilieren, da jener so wie dieser dem Wesen der Dinge am nächsten liegt, und einen unsinnlichen Gegenstand der Erkenntniß ausmacht. Dieß vorausgesetzt, kann das Geistige des Gegenstandes, unsern Geist zuweilen begeistern: theils durch die lebhafte Darstellung, die unsere höhere, mit dem Geiste in näherer Verbindung stehende Phantasie von dem Unsinnlichen auffaßt: theils durch die Verwandschaft, worin diese unsinnlichen, geistigen Eigenschaften mit den herrschenden Trieben unsers Geistes stehen.
Die herrschenden Triebe unsers Geistes, deren Inbegriff seine Sinnlichkeit, wenn ich so sagen darf, ausmacht, sind: die Neigung nach dem Gefühle seiner Stärke, seiner Stetigkeit, seiner Fortdauer, seiner Erhöhung und Herrschaft über andere Geister, und über sein eigenes niedriges Wesen: geistiger Stolz, Ruhmsucht, u. s. w.
Die innern, geistigen Eigenschaften der äußern Gegenstände, deren Bilder mit diesen Neigungen im Wohlverhältnisse stehen, sind Kraft, Dauer, Seltenheit, Fülle, Ansehn, u. s. w.
Wenn wir diese Eigenschaften ausdrücklich auf unser Selbst beziehen, oder sie sympathetisch mitempfinden, so gehört die Wonne, welche sie unserm Geiste gewähren, nicht dem Beschauungshange, mithin nicht dem Edeln. Wenn ich einen Menschen von außerordentlicher Geistesstärke und Festigkeit darum mit Wonne ausfinde, weil ich ein muthvolles Unternehmen sicherer mit ihm auszuführen hoffe; so gehört diese Wonne der baren Selbstheit. Wenn ich mich darüber freue, daß mein Nebenmensch in
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)