Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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Aber ist denn das Herz der Leitung der Vernunft unterworfen? Steht es in unserer Gewalt, uns zu verlieben? Wählt man den Gegenstand, dem man zärtlich anhängen will?
Es ist Werk des Schicksals, ruft man mir von der einen Seite zu: es ist unvermeidliches Glück oder Unglück was die Liebe herbeyführt. Ihren Gegenstand aufzusuchen, oder ihm entfliehen zu wollen, ist vergebliche Anmaßung. Noch eh’ ihr geboren wurdet, war ein Wesen geschaffen, zur Vereinigung mit euch bestimmt. Eine unwiderstehliche Sympathie zieht euch an einander. Nicht die eifersüchtige Wachsamkeit zusammengerotteter Wächter, nicht die Entfernung durch Meere getrennter Länder, nicht eure eigene Flucht, wird die Schöne, die für euch ausersehen ist, eurem Anblicke, und euer Herz der Macht ihrer Reitze entziehen! Ihr tragt ihr Bild in eurem Herzen, euch selber unbewußt; ein Ungefähr wird es euch in der Natur darstellen, und ihr werdet diesem unvermeidlich huldigen. Ob zu euerm Glück, ob zu euerm Verderben? – das ist die Sache des Ungefährs, eures günstigen oder ungünstigen Gestirns, oder vielmehr der höheren Vorsehung, die den Lauf eures Lebens regiert. Ueberlaßt euch dieser, und vermehrt nicht das Gefühl eurer Ohnmacht durch vergebliches Widerstreben!
Nein, ruft mir eine andere Partey entgegen, nein! jene Sympathien, jene schnellen Ueberraschungen unsers
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)