schon vom Fenster aus entgegensah. „Das Lisei ist's!“ rief ich, als wir in die Stube traten, „denkt Euch, Frau Meisterin, das Lisei!“
Die gute Frau schlug die Hände über ihre Brust zusammen. „Heilige Mutter Gottes, bitt' für uns! das Lisei! – also so hat's ausgeschaut! – Aber“, fuhr sie fort, „wie kommst denn du mit dem alten Sünder da zusammen?“ – und sie wies mit dem ausgestreckten Finger nach dem Gefangenhause drüben – „der Paulsen hat mir doch gesagt, daß du ehrlicher Leute Kind bist!“
Gleich darauf aber zog sie das Mädchen weiter in die Stube hinein und drückte sie in ihren Lehnstuhl nieder, und als jetzt Lisei ihre Frage zu beantworten anfing, hielt sie ihr schon eine dampfende Tasse Kaffee an die Lippen.
„Nun trink einmal“, sagte sie, „und komm erst wieder zu dir; die Händchen sind dir ja ganz verklommen.“
Und das Lisei mußte trinken, wobei ihr zwei helle Thränen in die Tasse rollten, und dann erst durfte sie erzählen.
Theodor Storm: Pole Poppenspäler. Braunschweig: Geoge Westermann, 1875, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pole_Poppensp%C3%A4ler.djvu/189&oldid=- (Version vom 1.8.2018)