auf seinem Hause. – Ich ging durch das Gäßchen nach dem Kirchenplatz; und dort vor dem großen hölzernen Crucifixe auf der gefrorenen Erde lag das junge Weib, den Kopf gesenkt, die Hände in den Schooß gefaltet. Ich trat schweigend näher; als sie aber jetzt zu dem blutigen Antlitz des Gekreuzigten aufblickte, sagte ich: „Verzeiht mir, wenn ich Eure Andacht unterbreche; aber Ihr seid wohl fremd in dieser Stadt?“
Sie nickte nur, ohne ihre Stellung zu verändern.
„Ich möchte Euch helfen“, begann ich wieder; „sagt mir nur, wohin Ihr wollt!“
„I weiß nit mehr, wohin“, sagte sie tonlos und ließ das Haupt wieder auf ihre Brust sinken.
„Aber in einer Stunde ist es Nacht; in diesem Todtenwetter könnt Ihr nicht länger auf der offenen Straße bleiben!“
„Der liebi Gott wird helfen“, hörte ich sie leise sagen.
„Ja, ja“, rief ich, „und ich glaube fast, er hat mich selbst zu Euch geschickt!“
Es war, als habe der stärkere Klang meiner
Theodor Storm: Pole Poppenspäler. Braunschweig: Geoge Westermann, 1875, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pole_Poppensp%C3%A4ler.djvu/187&oldid=- (Version vom 1.8.2018)