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Seite:Philosophie der symbolischen Formen erster Teil.djvu/206

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Klasseneinteilungen ausdrückt, unterzuordnen und ihn gemäß dem letzteren zu modifizieren. Deutlich tritt diese Tendenz auch dort hervor, wo die Sprache zwar bereits zur Anwendung allgemeiner Zahlausdrücke fortgeschritten ist, wo sie aber nichtsdestoweniger daran festhält, jedem derartigen Ausdruck ein bestimmtes Determinativ folgen zu lassen, das als ein spezifischer Mengenausdruck die besondere Art der kollektiven Zusammenfassung kennzeichnet. Es ist, anschaulich und konkret betrachtet, offenbar etwas völlig anderes, ob Menschen zu einer „Gruppe“ oder Steine zu einem „Haufen“ vereinigt werden, ob sich uns eine „Reihe“ ruhender oder ein „Schwarm“ bewegter Gegenstände darstellt u. s. f. Alle solche Besonderungen und Nuancierungen sucht die Sprache in der Wahl ihrer Kollektivworte und in der Regelmäßigkeit, mit der sie solche Worte mit den eigentlichen Zahlausdrücken verbindet, festzuhalten. So werden z. B. in den malayo-polynesischen Sprachen die Zahlausdrücke mit den zugehörigen Substantiven nicht unmittelbar zusammengefügt, sondern es müssen zu den letzteren immer gewisse determinierende Worte hinzutreten, deren jedes gleichsam eine Besonderung der „Kollektivierung“ selber zum Ausdruck bringt. Der Ausdruck für „5 Pferde“ lautet wörtlich „Pferde, fünf Schwänze“, der für vier Steine lautet wörtlich „Steine, vier runde Körper“ u. s. f.[1]. Ebenso folgt in den mexikanischen Sprachen dem Ausdruck der Zahl und des gezählten Gegenstandes noch eine Bezeichnung, die die Art und Form der Reihung oder Anhäufung kenntlich macht und die z. B. eine andere ist, wenn es sich um die Zusammenfassung runder und zylinderförmiger Gegenstände, wie Eier oder Bohnen, oder wenn es sich um die Aufstellung langer Reihen von Personen oder Dingen, von Mauern und Furchen, handelt[2]. Auch das Japanische und Chinesische hat die Anwendung derartiger „Numerative“, die sich je nach der Klasse der gezählten Gegenstände voneinander unterscheiden, zu besonderer Feinheit entwickelt. In diesen Sprachen, denen der allgemeine grammatische Unterschied von Singular und Plural fehlt, wird nichtsdestoweniger mit großer Strenge darauf geachtet, daß die kollektive Zusammenfassung als solche in ihrer spezifischen Richtung und Eigenart scharf gekennzeichnet wird. Wenn im abstrakten Zählverfahren die Einheiten, ehe sie miteinander verknüpft werden können, zuvor jedes eigenen Inhalts entleert werden müssen, so bleibt hier ein solcher Inhalt bestehen, bedingt dann aber auch je eine besondere Art der Zusammenfassung


  1. [1] Näheres hierüber z. B. bei Fr. Müller, Novara-Reise, S. 275, 303; Codrington, Melanes. Languages, S. 148; v. d. Gabelentz, Melanes. Sprachen, S. 23, 255.
  2. [2] Näheres bei Buschmann in seinen Noten zu Humboldts Kawi-Werk II, 269 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/206&oldid=- (Version vom 5.11.2022)