„Ding“, die sich im Artikel ausdrückt, wie sie aus der Funktion des räumlichen Hinweises entspringt, so in ihr zunächst noch durchaus gebunden bleibt: – daß sie sich den verschiedenen Demonstrationsarten und ihren Modifikationen aufs nächste anschmiegt, bis endlich, in einem relativ späten Stadium, die Ablösung der reinen Substanzkategorie von den besonderen Formen der räumlichen Anschauung sich vollzieht. –
Versucht man weiterhin, den Wegen zu folgen, die die Sprache einschlägt, um von den ersten scharf ausgebildeten örtlichen Unterscheidungen zu allgemeinen Raumbestimmungen und Raumbezeichnungen zu gelangen, so scheint sich auch hier zu bewähren, daß die Richtung dieses Prozesses von innen nach außen geht. Die „Unterscheidung der Gegenden im Raume“ nimmt ihren Ausgang von dem Punkt, in welchem sich der Sprechende selbst befindet, und sie dringt von hier aus in konzentrisch sich ausbreitenden Kreisen zur Gliederung des objektiven Ganzen, des Systems und Inbegriffs der Lagebestimmungen vor. Die Unterschiede des Ortes sind anfangs aufs engste verknüpft mit bestimmten materiellen Unterschieden – und von diesen ist es insbesondere die Unterscheidung der Gliedmaßen des eigenen Leibes, die als Ausgangspunkt aller weiteren Ortsbestimmungen dient. Nachdem sich für den Menschen das Bild des eigenen Körpers einmal scharf ausgeprägt hat, nachdem er ihn als einen in sich geschlossenen und in sich gegliederten Organismus erfaßt hat, dient er ihm gleichsam zum Modell, nach welchem er sich das Ganze der Welt aufbaut. Hier besitzt er eine ursprüngliche Koordinationsebene, auf die er sich im weiteren Fortgang immer wieder zurückzieht und zurückbezieht – und der er demgemäß auch die Benennungen entnimmt, die dazu dienen, diesen Fortgang sprachlich zu bezeichnen.
In der Tat ist es eine fast durchgehend beobachtete Tatsache, daß der Ausdruck räumlicher Beziehungen aufs engste an bestimmte Stoffworte gebunden ist, unter denen wieder die Worte zur Bezeichnung der einzelnen Teile des menschlichen Körpers den ersten Platz einnehmen. Das Innen und Außen, das Vorn und Hinten, das Oben und Unten erhält seine Bezeichnung dadurch, daß sie je an ein bestimmtes sinnliches Substrat im Ganzen des menschlichen Leibes angeknüpft werden. An der Stelle, wo die höher entwickelten Sprachen Präpositionen oder Postpositionen zum Ausdruck räumlicher Verhältnisse zu verwenden pflegen, begegnen demgemäß in den Sprachen der Naturvölker fast durchweg nominale Ausdrücke, die entweder selbst Namen von Körperteilen sind oder deutlich auf solche zurückgehen. Die Mande-Negersprachen drücken
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/172&oldid=- (Version vom 8.10.2022)