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Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/028

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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

schmutzigen Wucherer muss man nun doch wohl in eine Reihe stellen mit dem Besitz der sich reich dünkenden Könige, die nie auch nur im Traume den „sehenden“ Reichtum[1] gesehen haben. 86 Manche gehen aber in ihrer Schlechtigkeit so weit, dass sie, wenn sie kein Geld (zum Ausleihen) haben, Nahrungsmittel auf Zins leihen, um einst mehr zurückzubekommen als sie gegeben haben. Vielleicht würden diese, die im Reichtum und Ueberfluss dem Hunger einen Platz anweisen, auch Bettlern auf die Weise eine Gabe reichen, dass sie aus der Leibesnotdurft unglücklicher Menschen Ertrag ziehen und Speisen und Getränke beinahe auf die Wage stellen, damit sie nur ja kein Uebergewicht haben. 87 Darum schreibt er denen, die an seinem heiligen Staate Anteil haben wollen, notwendigerweise vor, solche Arten von Erwerb von sich fernzuhalten; denn es sind das Bestrebungen einer knechtischen und durchaus unfreien Seele, die eine wilde und tierische Natur angenommen hat.

88 (7.) Eine auf Betätigung von Menschenliebe hinzielende Verordnung ist auch die, den Lohn dem Armen noch an demselben Tage zu geben (5 Mos. 24,15. 3 Mos. 19,13), nicht nur weil die Gerechtigkeit verlangt, dass einer, der den Dienst, zu dem er angenommen wurde, geleistet hat, den Lohn für die Dienstleistung unverzüglich bekomme[2], sondern auch weil der Handwerker oder Lastträger, der nach Art eines Lasttieres sich mit seinem ganzen Körper abplagt, gleichsam nur für den Tag lebt, wie man sagt, und seine ganze Hoffnung auf den Lohn setzt. Wenn er diesen sogleich bekommt, freut er sich und wird gekräftigt für den folgenden Tag, um dann mit doppelter Freudigkeit zu arbeiten; erhält er ihn aber nicht, so verliert er, abgesehen davon dass er sich sehr ärgert, vor Kummer alle Spannkraft und wird schlaff, so dass er nicht imstande ist an sein gewohntes Tagewerk zu gehen.

89 (8.) Ferner bestimmt er: ein Gläubiger soll nicht in die [390 M.] Häuser der Schuldner hineingehen, um sich mit Gewalt ein Unterpfand zu holen, er soll vielmehr draussen an der Türe stehend warten und in aller Ruhe jene auffordern es herauszubringen


  1. Vgl. Ueber Abraham § 25 Anm.
  2. Vgl. Ueber die Einzelgesetze IV § 195 f.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/028&oldid=- (Version vom 31.10.2017)