Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn | |
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verschiedenen Stellen gegebenen Vorschriften zusammenzustellen und zu erörtern. Da ich aber alles bereits gesagt habe, was am Platze war, so mag ich hier nicht dasselbe wieder sagen. 17 Wer es jedoch nicht verschmäht, sondern sich ernsthaft Mühe gibt meine früheren Schriften zu lesen, der muss merken, dass alles, was darin über Bescheidenheit gesagt ist, so ziemlich auch von der Tapferkeit gilt; denn die Aufgabe einer starken, edlen und kraftvollen Seele ist es, alles zu verachten, was der Hochmut zu verehren pflegt zum Schaden für das wahrhafte Leben.
18 (4.) Das Gesetz zeigt aber ein so eifriges Bestreben, die Seele zur Tapferkeit heranzubilden und auszurüsten, dass es selbst über die Beschaffenheit der Gewänder, die man anlegen soll, eine Verordnung erlassen hat: es verbietet nämlich nachdrücklich dem Manne, ein weibliches Gewand anzuziehen (5 Mos. 22,5), damit auch nicht eine Spur oder ein Schatten des Weibischen ihm anhafte zum Schaden des männlichen Geschlechts. Das Gesetz schliesst sich nämlich stets der Natur an und will bestimmen, was zueinander passt und miteinander im Einklang steht, bis zum äussersten und bis zu den Dingen, die wegen ihrer Geringfügigkeit anscheinend keine Beachtung verdienen. 19 Denn da der Gesetzgeber sah, dass die Körpergestalten des Mannes und des Weibes, wie auf einer Tafel gezeichnete Figuren, ungleich seien und dass den beiden Geschlechtern nicht dasselbe Leben zugewiesen sei — dem einen nämlich ist das Leben im Hause, dem andern das Leben in der staatlichen Gemeinschaft zugeteilt —, so hielt er es für nützlich, auch in anderen Dingen, die nicht von der Natur geschaffen sind, sondern im Anschluss an die Natur von kluger Einsicht ersonnen werden, bestimmte Anordnungen zu treffen: es sind das die Bestimmungen über Lebensführung, über Kleidung und ähnliche Dinge. 20 Er wollte, dass der wahre Mann auch in diesen männlich auftrete und ganz besonders in der Kleidung: in dieser, die er immer Tag und Nacht trägt, darf er nicht das geringste Zeichen unmännlichen Wesens zeigen. 21 In derselben Weise wollte er auch die Frau an den passenden Schmuck gewöhnen und verbot ihr daher [379 M.]
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/012&oldid=- (Version vom 31.10.2017)