Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn | |
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und dass zu keiner Zeit die Wohltaten ausbleiben werden, dass vielmehr durch die unaufhörlich waltende Gnade Gottes „die Saaternte bis zur Weinlese und die Weinlese bis zur Aussaat reichen wird“ (3 Mos. 26,5): 102 so werden sie ohne Unterlass und ohne Unterbrechung beständig einen Teil der Früchte einsammeln und auf den andern hoffen, weil die einen den anderen auf dem Fusse folgen, sodass die Anfänge der späteren sich mit dem Ende der früheren berühren und gewissermassen einen ringförmigen Reigentanz ausführen, der alles Gute mit sich führt. 103 Denn die Menge der wachsenden Früchte wird nicht nur für den augenblicklichen Gebrauch und Genuss ausreichen, sondern auch reichen Vorrat für die Zukunft bieten, indem immer neue Vorräte zu den alten hinzukommen und deren Lücken ausfüllen; ja, bisweilen wird sich wegen des unendlich reichen Ertrages überhaupt niemand um die früher [p. 425 M.] eingebrachten Vorräte kümmern, man wird sie, ohne sie erst aufzubewahren und aufzuspeichern, jedem beliebigen zu unbeschränktem Gebrauche überlassen. 104 Denn wem der wahre Reichtum im Himmel ruht, da er durch Weisheit und Frömmigkeit erworben wird, für den ist auch der in Schätzen bestehende Reichtum auf Erden in Fülle vorhanden; denn durch die Vorsehung und Fürsorge Gottes sind seine Vorratskammern stets gefüllt, damit[1] die Regungen der Seele und die Unternehmungen der Hände nie gehemmt werden in der rechten Ausführung der mit Eifer betriebenen schönen Werke. 105 Wer aber infolge unfrommen und ungerechten Lebens dieses himmlische Los nicht erhält, dem gelingt auch der Besitz der irdischen Güter nicht vollständig: wenn er ihm schon zuteil wird, verfliegt er rasch wieder, als wäre er überhaupt nicht gekommen, um dem Empfänger zu nützen, sondern um ihm nur einen noch schwereren Kummer aufzuerlegen, der eine notwendige Folge des Verlustes ist. — 106 (18.) Dann wirst du, wie es weiter heisst, infolge des reichen Ertrages und Ueberflusses anderen das antun können, was du jetzt erfährst. Denn jetzt fehlt es dir, weil du vor den Gesetzen und väterlichen Gebräuchen keine Achtung hast, sondern sie ganz vernachlässigst,
- ↑ ἐκ τοῦ ist wohl in ἕνεκα τοῦ zu korrigieren.
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/030&oldid=- (Version vom 4.10.2017)