Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn | |
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genossen hat und drittens durch fleissige Uebung an die Grundsätze der Tugend gewöhnt ist, so dass keiner von ihnen sie nur oberflächlich berührt, sondern alle festsitzen und ihr tief eingeprägt sind wie mit Stricken befestigt, die erwirbt Gesundheit, die erwirbt Macht, und dazu noch gutes Aussehen infolge von Sittsamkeit, Wohlbefinden und Schönheit (des Körpers). 65 So wird eine solche Seele durch drei vortreffliche Dinge, durch natürliche Anlage, durch Lernen und durch fleissige Uebung, ein vollkommener Wohnsitz der Tugenden, und sie lässt kein Plätzchen in ihrem Innern leer, sodass anderes Zutritt hätte; sie erzeugt nun eine vollkommene Zahl, zweimal sechs Söhne, ein Abbild und eine Nachahmung des Tierkreises zur Besserung der Dinge hienieden. Das ist das unverletzte Haus, das nach dem Wortlaut der heiligen Schrift wie in der allegorischen Deutung vollkommen und beständig erscheint und das, wie gesagt, zur Belohnung die Führung der Stämme des Volkes [p. 419 M.] erhalten hat. 66 (Von den Männern) aus diesem Hause, das im Laufe der Zeit zu volkreicher Zahl sich entfaltete, sind Städte mit trefflicher Verfassung gegründet worden, Lehrstätten der Einsicht, Gerechtigkeit und Frömmigkeit, in denen auch die Art und Weise der Erlangung jeder andern Tugend ernsthaft erforscht wird.
67 (12.) Wir haben nun die Belohnungen, die in alter Zeit den Guten, und zwar sowohl einer Gesamtheit als einzelnen, erteilt wurden, in summarischer Weise besprochen, sodass man danach auch die hier übergangenen leicht verstehen kann. Ebenso müssen wir nun andrerseits die über die Schlechten verhängten Strafen im allgemeinen betrachten; denn alle einzeln aufzuführen ist nicht an der Zeit. 68 Gleich am Anfang, als das Menschengeschlecht noch gering an Zahl war, gab es einen Brudermörder (Kain). Dies ist der erste schuldbeladene Mensch, der erste, der über die reine Erde den ungewohnten Schandfleck (vergossenen) Menschenblutes brachte, der erste, der die Erde, welche Tiere und Pflanzen aller Art hervorbringt und wachsen lässt und durch alle ihre Erzeugnisse in voller Blüte steht, in ihrer Fruchtbarkeit hemmte, der erste, der das Wachstum mit Verderben, das Leben mit dem Tode, die Freude mit der Trauer und das Gute mit dem
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/021&oldid=- (Version vom 2.10.2017)