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Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/025

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Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel

bringen wagen wirst, dafür willst du, ohne zu erröten, Gott als Zeugen anrufen, ihn, den Vater und Lenker des Weltalls? Tust du dies, obwohl du weisst, dass er alles sieht und [p. 196 M.] hört, oder weil du es nicht weisst? 91 Wenn du es nicht weisst, dann bist du ohne Gottesglauben, die Quelle alles Unrechts aber ist der mangelnde Glaube an Gott; ausserdem aber machst du den Eid bedeutungslos, da du schwörst bei dem, der (nach deiner Ansicht) gar nicht achthat auf die Handlungen der Menschen, gleich als ob er sich doch um sie kümmerte. Weisst du es aber gewiss, dass Gottes Vorsehung alles leitet, so kann es kein grösseres Mass von Gottlosigkeit geben; denn du sprichst, wenn auch nicht mit dem Munde und mit der Zunge, so doch im Herzen zu Gott: bezeuge mir meine Unwahrheit, hilf mir betrügen, hilf mir leichtfertig handeln; meine einzige Hoffnung, bei den Menschen meinen guten Namen zu behalten, beruht darauf, dass du die Wahrheit verschleiern hilfst; werde du ein Uebeltäter für einen andern, du der Bessere für den Schlechten, für einen Menschen und zwar einen elenden du Gott, der Beste von allen. 92 (19.) Es gibt auch Menschen, die gar nicht aus Gewinnsucht, sondern nur aus schlechter Gewohnheit allzuviel und ohne Ueberlegung bei jeder beliebigen Gelegenheit schwören, auch wenn gar nichts bestritten wird, indem sie die leeren Behauptungen in ihrer Rede[1] noch mit Eiden bekräftigen wollen, als ob es nicht besser wäre den Redeschwall zu kürzen oder noch besser gänzlich zu schweigen; denn aus vielem Schwören entsteht Falschschwören und gottloses Tun[2]. 93 Deshalb soll auch einer, der schwören will, alles sorgfältig und gar peinlich geprüft haben, die Sache, ob sie gar so wichtig ist, ob sie wirklich geschehen ist und ob er das Geschehene genau wahrgenommen, sich selbst, ob er rein an Seele, Leib und Zunge ist, ob die Seele rein von gesetzwidrigem Tun, der Leib rein von Befleckungen, die Zunge rein von lästerlicher Rede; denn sündhaft wäre es, wenn durch den Mund,


  1. Für die verderbten Worte τὰ μὲν αὐτῶν ἐν τῷ λόγῳ ist wohl τὰ κενὰ τῶν ἐν τῷ λόγῳ zu lesen. [L. C.]
  2. Gemäss der Doppeldeutung, die der in der Bibel gebrauchte und zweierlei Auffassung zulassende Ausdruck לשוא‎ auch im Talmud erfährt, wie Tract. Temura f. 3b zu lesen.
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/025&oldid=- (Version vom 9.12.2016)