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Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/017

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Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel

sie jenen (vermeintlichen Göttern) falsche Namen geben, die einen diese, die anderen jene[1]. 54 So nennen manche die Erde Kore, Demeter, Pluto, das Meer Poseidon, dem sie dazu Unterstatthalter andichten, Meergottheiten und ein grosses Gefolge von männlichen und weiblichen Dämonen; die Luft nennen sie Hera, das Feuer Hephaestos, die Sonne Apollo, den Mond Artemis, den Morgenstern Aphrodite und den Stilbon (Glanzstern) Hermes. 55 Und so haben auch jedem der übrigen Gestirne die Mythendichter die Namen gegeben, die jene künstlichen Gebilde nur zur Täuschung für das Ohr ersonnen haben und damit in der Namengebung Ausgezeichnetes geleistet zu haben wähnen. 56 So teilten sie weiter den Himmel in Hemisphären, die eine über der Erde, die andere unter der Erde, nannten sie Dioskuren und erdichteten dazu die Erzählung von ihrem nur einen Tag um den andern währenden Leben[2]. 57 Denn da der Himmelsball sich beständig und unaufhörlich im Kreise bewegt, muss notwendig jede der beiden Hemisphären täglich ihre Stellung wechseln und nach oben und unten zu stehen kommen, freilich nur dem Anscheine nach; denn oben und unten gibt es in Wahrheit bei der Himmelssphäre nicht, nur nach [p.190 M.] unserer Stellung dazu pflegen wir das, was über unserm Kopfe ist, „oben“ und das Entgegengesetzte „unten“ zu nennen. 58 Dem nun, der beim Philosophieren nur die Wahrheit sucht und unverfälschte, reine Gottesfurcht erlangt, gibt er die schönste und frömmste Lehre, keinen der Teile der Welt für einen selbständigen Gott zu halten. Denn jeder ist einmal entstanden; Entstehen aber ist der Anfang von Vergehen, und wäre das Betreffende auch von der Vorsehung des Schöpfers zur Ewigkeit bestimmt, denn es gab eine Zeit, da es nicht war. Von Gott aber zu sagen, dass er vorher


  1. Philo wendet sich im folgenden gegen die stoische Theologie, die durch Allegorie die hellenischen Götter in kosmische und physikalische Erscheinungen auflösen wollte. Philo lehnt sich dabei an die Polemik an, die die akademischen Skeptiker (insbesondere Karneades) gegen die Stoiker führten. Vgl. auch De vita contempl. II p. 472 M. und Weish. Salom. XIII 2.
  2. Homer Odyss. XI 303. Pindar Nem. X 55. Die allegorische Deutung der Dioskuren auf die beiden Hemisphären erwähnt auch Sextus Empiricus adv. mathem. IX 37, der zugleich dabei die Homerstelle citirt.
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/017&oldid=- (Version vom 9.12.2016)