Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel | |
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ihn allein speisen und für ihn allein das Mahl bereiten wollte, um die mit prophetischem Geiste erfüllte Seele zu erfreuen, soweit sie die grossen Weihen empfangen darf, wie sollte es mir dem Sterblichen geziemen den Nacken hoch zu tragen, mich aufzublähen und stolz zu tun gegen meinesgleichen, Menschen ungleichen Geschickes zwar, die aber doch gleicher Abstammung mit mir sind, die alle eine Mutter haben, die allen Menschen gemeinsame Natur? 42 Ich werde mich also, auch wenn ich Gewalt über Land und Meer erlangen sollte, zugänglich und gefällig zeigen den Aermsten und Niedrigsten und solchen, die der Verwandtenhilfe entbehren, die beider Eltern beraubt sind, Frauen, die im Wittwenstande leben, Greisen, die Kinder entweder überhaupt nicht gehabt oder die sie gehabt früh verloren haben. 43 Als Mensch will ich Hochmut und feierliches Gebaren, wie es Tragödienspielern eigen ist, nicht annehmen, ich will in den Schranken der Natur bleiben und diese nicht überschreiten, vielmehr meinen Geist gewöhnen menschlich zu fühlen, nicht nur wegen des unbekannten Wechsels der Geschicke, des Uebergangs aus einer Lage in die andere, sowohl bei Glücklichen wie bei Unglücklichen, sondern auch weil es sich ziemt sich nicht zu vergessen, auch wenn das Glück unwandelbar und sicher bleibt. Aus diesen Gründen, scheint mir, hat Gott seine Offenbarung, indem er sie in der Einzahl verkündete, an jeden besonders richten wollen[1].
44 (11.) Alles aber in der Umgebung des Ortes war, wie es sich von selbst verstand, voller Wunder (2 Mos. 19,16 ff.): das Getöse von Donnerschlägen, grösser als ein Ohr auszuhalten vermag, das helle Aufflammen von Blitzen, der weithinreichende Schall einer unsichtbaren Trompete, eine niederschwebende Wolke, die einer Säule gleich mit dem Fuss auf dem Boden stand, in dem übrigen Umfang aber bis an den Aether reichte, ein dahinflutendes himmlisches Feuer, das alles ringsumher in dichten Rauch einhüllte; denn da
- ↑ Aehnlich Pesikta zu 2 Mos. 20,2, nur in etwas anderem den Grund suchend: Da Gott sich Israel offenbarte, sprachen sie etwa so unter einander: zu mir besonders hat die Gottheit gesprochen, und, wie daselbst weiter erklärt wird, das war nach der Fassungskraft eines jeden.
: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/014&oldid=- (Version vom 9.12.2016)