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Seite:PhiloSobrGermanAdler.djvu/7

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Philon: Über die Nüchternheit (De sobrietate) übersetzt von Maximilian Adler

dem Ismael,[1] wie wir in einer eigenen Abhandlung, wann wir beide charakterisieren werden, zeigen wollen.[2] Genau in demselben Verhältnisse nämlich, in welchem ein unmündiges Knäblein zu einem vollendeten Manne steht, steht der Sophist zum Weisen und die Gegenstände der volkstümlichen allgemeinen Bildung zu den Wissenschaften, die auf Tugenden beruhen.[3] [3] 10 Und in einem größeren Liede[4] nennt (Moses) das gesamte Volk, wann es aufrührerisch ist, mit dem Namen des unverständigen und unmündigen Alters: „Kinder“; denn er sagt: „Gerecht und rechtschaffen ist der Herr; sie haben gefehlt, aber nicht ihm, die tadelnswerten Kinder! Ihr falsches und abtrünniges Geschlecht, das stattet ihr dem Herrn als Dank ab? So töricht ist das Volk und gar nicht weise?“ (5 Mos. 32, 4–6).[5] 11 Also ganz deutlich nennt (Moses) Kinder die Männer, welche in ihrer Seele Schmach tragen und infolge ihrer Torheit und ihres Unverstandes bei den dem richtigen Leben gemäßen Handlungen meistens straucheln; dabei hat er aber nicht das kindliche Alter des Körpers vor Augen, sondern das Unvernünftige und wahrhaft Kindische ihrer Seele. 12 So wird ja aber auch Rahel, die Wohlgestalt des Leibes, als jünger denn Lea, die Schönheit[6] der Seele, bezeichnet; jene (die Wohlgestalt) nämlich ist sterblich, diese aber unsterblich, und alles was für die Sinneswahrnehmung wertvoll ist, ist weniger vollkommen als die einzige Schönheit, die allein eine ist, die der Seele. Dem entspricht es folgerichtig, daß auch Joseph immer jung und der Jüngste genannt wird; denn als er mit seinen unebenbürtigen Halbbrüdern[7] die Herde beaufsichtigte, wird er jung geheißen (1 Mos. 37, 2), und auch als der Vater ihn segnet, sagt er: „Mein Sohn, der du so jung groß geworden bist, wende dich


  1. Als Sophist wird Ismael betrachtet Ü. d. Cherubim § 8, Ü. d. Nachkommen Kains § 131 und De fuga et invent. § 209f.
  2. Eine solche Charakteristik Ismaels und Isaaks lesen wir bei Philo De mutat. nomin. § 201–263. Wahrscheinlich verweist hier Philo aber auf das uns nicht erhaltene Leben Isaaks
  3. Der Weise (Isaak) ist der Sohn der Tugend (Sarah), während Ismaels (des Sophisten) Mutter (Hagar) als Symbol der ἐγκύκλιος παιδεία gilt. Über das Verhältnis dieser zur Philosophie vgl. Ü. d. Trunkenheit § 48–51 u. d. Anmerkungen.
  4. Gemeint ist der Segen Mosis vor seinem Tode.
  5. Die LXX weicht hier vom MT ab.
  6. Den Unterschied zwischen εὐμορφία und κάλλος hat schon Plato gemacht. Sympos. 218 E.
  7. Über die Bezeichnung der Mägdesöhne als unebenbürtig vgl. Ü. d. Unveränderl. Gottes § 121 (IV 99, Anm. 3).
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Nüchternheit (De sobrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSobrGermanAdler.djvu/7&oldid=- (Version vom 5.7.2016)