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Seite:PhiloSobrGermanAdler.djvu/12

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Philon: Über die Nüchternheit (De sobrietate) übersetzt von Maximilian Adler

Altersreiferen;[1] darum geht auch Esau des Erstgeburtsrechtes verlustig, und dieser macht es sich mit Fug und Recht zu eigen (1 Mos. 25,33ff.). 27 Damit stimmt auch überein das Ergebnis umsichtiger Überlegung bei den Söhnen Josephs, als der Weise,[2] von Gott begeistert, seine Hände den unmittelbar vor ihm stehenden (Enkeln) nicht wie sie ihm gegenüberstehen und gerade aus aufs Haupt legt, sondern sie vertauscht, damit er mit seiner Linken den scheinbar Älteren, den Jüngeren aber mit der Rechten berühre (1 Mos. 48,13.14).[3] 28 Es heißt aber der seiner Geburt nach Ältere Manasse, der Jüngere Ephraim; überträgt man diese Namen in die griechische Sprache, so wird man finden, daß sie Symbole des Gedächtnisses und der Wiedererinnerung sind; denn Manasse [397 M.] bedeutet übersetzt: „aus der Vergessenheit“, – das heißt aber mit einem anderen Worte: Wiedererinnerung; denn wer wieder zur Erinnerung des Vergessenen kommt, verläßt damit den Bereich des Vergessene – Ephraim aber „Fruchttragung“, die passendste Bezeichnung des Gedächtnisses deshalb, weil für die Seele die nützlichste und wahrhaft genießbare Frucht die Unvergeßlichkeit in den stetigen Erinnerungen ist.[4] 29 Das Gedächtnis nun wird Menschen zuteil, die schon männlich und gefestigt sind;[5] deshalb wurde es auch für jünger gehalten, weil es sich erst spät bildet; Vergessen aber und Wiedererinnerung wohnen abwechselnd fast vom frühesten Lebensalter an in jedem Menschen, weshalb sie (vor jenem) den Vorrang in der Zeit haben und da, wo ein Weiser die Plätze verteilt, auf dem linken Flügel aufgestellt werden; des Vorranges in der Tugend jedoch wird das Gedächtnis teilhaftig werden, das der Gottliebende mit seiner Rechten umfangen[6] und des besseren Teiles bei sich würdigen wird.


  1. Nach 2 Mos. 4, 22; davon handelt Philo Ü. d. Nachk. Kains § 63.
  2. Jakob, der seine Enkel segnet.
  3. In ähnlicher Weise ist dieselbe Allegorie dargestellt, Alleg. Erkl. III § 90–93; vgl. dort auch die Erklärung der Namen Manasse und Ephraim, und Ü. d. Wander. Abrah. § 205, De congr. erud. gr. § 40, De mutat. nom. § 98-102.
  4. Abweichend von Mangey und Wendland lese ich: τὸ ἄληστον ἐν ταῖς ἀδιαστάτοις <μνήμαις>. μνῆμαι μὲν οὖν...
  5. Die stoischen Philosophen erklären es als „Aufspeicherung von Vorstellungen“; darum scheint es, daß sie auch für die μνήμη, wie für den λόγος (s. § 26 Anm. 5) einen längeren Zeitraum für deren Entwicklung und Festigung annahmen.
  6. δεξιοῦσθαι ist hier in doppeltem Sinn gebraucht; einmal im Wortsinn, mit Rücksicht auf den biblischen Ephraim, dem Jakob die rechte Hand aufs Haupt legt; dann aber in der übertragenen Bedeutung: jmd. bewillkommnen, mit Freundlichkeit oder Lob empfangen.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Nüchternheit (De sobrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSobrGermanAdler.djvu/12&oldid=- (Version vom 17.7.2016)