Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn | |
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[25.] 77 Es könnte aber einer nach dem Grunde fragen, [18 M.] weshalb der Mensch das letzte Stück der Weltschöpfung ist; denn nach allen anderen Werken hat ihn der Schöpfer und Vater geschaffen, wie die heiligen Schriften erzählen. Diejenigen nun, die tiefer in den Sinn der Gesetze eingedrungen sind und ihren Inhalt möglichst gründlich erforschen, geben als Grund an, dass Gott den Menschen durch die Gewährung der Vernunft, die ja die beste Gabe war, mit sich selbst verwandt machte und deshalb auch alles übrige ihm nicht missgönnen wollte, dass er also für ihn als das ihm verwandteste und liebste Geschöpf alles in der Welt vorher bereitstellte, weil er wollte, dass ihm gleich nach seiner Erschaffung keines der Dinge fehle, die zum Leben[1] und zum guten Leben[2] notwendig sind. Zum Leben gehören reichliche Nahrungs- und Genussmittel, das gute Leben dagegen gewährt die Betrachtung der Himmelserscheinungen; durch diese gefesselt, bekommt der Geist Lust und Verlangen nach Einsicht in ihr Wesen, und daraus ist die Wissenschaft der Philosophie erwachsen, durch die der Mensch, obwohl er sterblich ist, zur Unsterblichkeit geführt wird. 78 Gleichwie also die Gastgeber nicht eher zum Mahle rufen, als bis alles zur Mahlzeit Notwendige gut zubereitet ist[3], und die Veranstalter von gymnastischen
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/32&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
- ↑ d. h. das körperliche Leben.
- ↑ d. h. das geistige Leben.
- ↑ Philos Bild vom Gastgeber wiederholen die Kirchenschriftsteller Ambrosius (Epist. 43) und Gregorius von Nyssa (de hom. opif. cap. 2). Ein ähnlicher Vergleich findet sich in dem syrischen „Buche von der Erkenntnis der Wahrheit“ (übers. von K. Kayser (1893) S. 242ff). Vgl. auch Talmud Sanhedr. f. 38a. Midrasch Beresch. R. c. 8 und Jalkut c. 15.