Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt | |
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und unausgesetzt schöne Taten hervorbringt; die Stammhäupter des gesamten Volkes aber sind siebzig, der Palme, dem edelsten der Bäume, mit Recht verglichen, denn sie ist sowohl in der äusseren Erscheinung als auch in ihren Früchten der schönste Baum, dessen Lebenskraft nicht wie bei den anderen Gewächsen tief in den Wurzeln vergraben ruht, sondern aufwärts strebend wie das Herz ganz in der Mitte der Zweige sitzt, von denen umgeben sie wie eine echte Herrscherin von einer Leibwache beschützt wird. 190 Eine solche Natur besitzt auch der Geist derer, die die Frömmigkeit gekostet haben, er hat aufwärts schauen und steigen gelernt, und stets mit den überirdischen Dingen beschäftigt und die göttliche Schönheit erforschend, spottet er der irdischen Dinge, in denen er nur kindisches Spiel sieht, während ihm jenes Streben echter Ernst ist.
191 (35.) Darnach verging kurze Zeit, und sie litten durch Mangel an Lebensmitteln Hunger, als wollten die unentbehrlichen Lebensbedürfnisse sich einander im Kampfe gegen sie ablösen; denn gestrenge, grausame Herren, Hunger und Durst, teilten sich in die Aufgabe, sie zu quälen, und griffen sie nacheinander an, und wenn die eine Not ihnen Ruhe liess, überfiel sie die andere; das war für die Leidenden unerträglich, denn hatten sie eben erst vom Durst befreit zu sein geglaubt, so fanden sie, dass ein anderes Uebel ihnen auflauerte, der Hunger. 192 Es war aber nicht bloss der augenblickliche Mangel, der sie so bedrückte, sondern auch die Verzagtheit wegen der Lebensmittel für die Zukunft; denn da sie die weite, grosse, überaus unfruchtbare Wüste vor sich sahen, wurden sie gar mutlos. Ueberall waren teils rauhe, zerklüftete Felsen, teils mit Salz durchtränkte Ebenen, teils steinige Berge, teils tiefe zu steiler Höhe sich auftürmende Sandmassen, und dazu noch kein Fluss, weder ein natürlicher noch ein von Regen sich bildender, kein Quell, keinerlei Gewächs oder irgend ein Baum, weder ein angepflanzter noch ein wildwachsender, kein Tier, sei es Vogel oder Landtier, ausser den zum Verderben der Menschen Gift spritzenden Kriechtieren, Schlangen und Skorpionen. 193 Da verglichen sie in Erinnerung an die Fülle und Fruchtbarkeit
Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/051&oldid=- (Version vom 1.8.2018)