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Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/38

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

das Streben nach Heiligkeit einzuflößen und zu seinem Dienste anzuspornen, doch zugeben, daß er nimmt, als ob er die freiwilligen Huldigungen der Seele und die aufrichtigen Dienstleistungen wohlgefällig annähme.[1] 124 So sagt er (4 Mos. 3, 12): „Siehe, genommen habe ich die Lewiten statt jedes Erstgeborenen, das den Mutterschoß eröffnet, von den Kindern Israels; deren Lösegeld sollen sie sein.“[2] Also wir nehmen und geben; aber eigentlich nehmen wir, und nur in uneigentlichem Sinne wird aus den erwähnten Gründen gesagt, daß wir geben. Treffend nannte er die Lewiten „Lösegeld“; denn nichts verhilft der Seele dermaßen zur Freiheit, wie die Zuflucht zu Gott und das Gebet. Das bekennt aber der priesterliche Lewitenstamm als seinen Beruf.

[25] 125 Nachdem wir nun hierüber das Erforderliche gesagt haben, wollen wir zu dem anfangs behandelten Gegenstande zurückeilen; denn wir haben vieles vorläufig beiseite gelassen, was gründlicher Untersuchung bedarf. „Nimm mir,“ sagt er, „ein weibliches Kalb“, das noch nicht eingejocht[3] und geplagt wurde, das noch zart, jung und frisch ist, – eine Seele, die mit Leichtigkeit Leitung und Zucht und Unterricht in sich aufnehmen kann; „nimm mir einen Widder“ – die streitbare und vollkommene Vernunft,[4] die befähigt ist einerseits, die Trugschlüsse der Gegner aufzuschneiden und zu lösen, andererseits dem Lernbegierigen Sicherheit gegen

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/38&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Der sehr wichtige Gedanke, daß der Opferdienst nicht Gottes wegen, sondern des Menschen wegen da ist, findet seine Parallele: Über die Einzelges. I § 67. Danach ist der Tempel eingerichtet zur Betätigung des frommen Dranges der Menschen. Wenn auch der Gedanke, daß Gott selbst keinen Kultus braucht, der Bibel (z. B. Jes. 66, 1; Ps. 50, 8ff.) und dem Midrasch (Guttmann, MGWJ. 1879, 266) nicht fremd ist, so weist doch die Begründung auf dieselbe philosophische Quelle, aus der Dion von Prusa 12, 60 die Errichtung von Tempeln herleitet: aus dem Drang (ὁρμή) nach dem Göttlichen entstand das Sehnen, es in der Nähe zu ehren. Diese Quelle war höchstwahrscheinlich Posidonius; vgl. Heinemann ebd. II 131. I. H.
  2. Diese Worte „deren Lösegeld sollen sie sein“ hat auch die Sept., doch nicht der Urtext. τὰ λύτρα bedeutet Sühnemittel und Lösegeld; Philo verwertet hier die zweite Bedeutung. „Die L. sind deren Lösegeld“, d. h. sie haben die Aufgabe, durch ihre Fürbitte die anderen Volksgenossen, aus Druck und Knechtschaft zu erlösen.
  3. Die folgenden Attribute sind wohl eher auf die Seele zu beziehen (eine noch nicht eingejochte Seele); anders Mangey; vergleiche aber die Deutung der anderen Tiere. I. H.
  4. Wie oben § 69 u. 71 die durch die Sprache sich äußernde Vernunft, der λόγος προφορικός.