Zum Inhalt springen

Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/10

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

Ägyptens bis zum großen Euphrat“, d. h. sein Bildungsgang beginnt mit dem Studium dessen, was sterblich ist am Menschen, des Körpers, der Sinne und der Affekte, und endet mit dem klaren Begreifen der Weisheit Gottes (§§ 315–316).


[p. 473 M.] [1] 1 In der vorhergehenden Schrift[1] haben wir möglichst genau erörtert, was über Lohn zu sagen ist; nun aber wollen wir untersuchen, wer der Erbe der göttlichen Dinge ist. 2 Nachdem nämlich der Weise (Abraham) das göttliche Wort „Dein Lohn wird sehr groß sein“ vernommen hat, fragt er: „O Gebieter,[2] was wirst du mir geben? Ich gehe doch kinderlos von hinnen. Aber der Sohn meiner hausgebornen (Sklavin) Masek,[3] das ist Damaskos Elieser –“ und ferner: „Da du mir keine Nachkommenschaft gegeben hast, wird mein hausgeborener (Sklave) mich beerben“ (1 Mos. 15, 2–3). 3 Jedoch, wer würde nicht, betroffen ob der Herrlichkeit und Größe des sich ihm Offenbarenden, wenn nicht aus Furcht, so doch vor Freude sprachlos werden und mit geschlossenem Munde dastehen? Verschließt doch außerordentliche Freude ebenso wie großes Leid den Mund! 4 Deshalb gesteht auch Moses, er sei ein Mann von schwacher Stimme und schwerer Zunge geworden, seitdem[4] Gott mit ihm zu reden begonnen habe (2 Mos. 4, 10). Und das Zeugnis des Propheten[5] ist sehr richtig. Denn dann muß das Stimmorgan schweigen, wohl aber der durch das Denken redende Logos[6] ungehemmt sich ergehen, der der Gedanken,

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/10&oldid=- (Version vom 23.2.2020)
  1. Diese Schrift, die sich offenbar an das Bibelwort: „Dein Lohn wird sehr groß sein“ anlehnte, ist verloren gegangen.
  2. Die Sept. hat entsprechend dem Urtext zwei Anreden δέσποτα κύριε. Philo läßt die zweite fort.
  3. Die Sept. hält das schwierige משק‎ in V. 2 für einen Frauennamen und erklärt בן משק ביתי‎ als בן משק ילידת ביתי‎. Zu οὗτος „das ist“ vgl. 2 Mos. 6, 26: οὗτος Ἀ. καὶ Μ. Demnach ist der Satz unvollständig, es fehlt das Prädikat: „will mich beerben“. Abraham bricht mitten im Satze ab und beginnt einen neuen, um nochmals den Mangel eines Leibeserben zu betonen, mit Wiederholung des verkürzten Subjekts des vorigen. In V. 3 übersetzt die Sept. בן ביתי‎, als ob יליד ביתי‎ stünde.
  4. Vgl. Leben Mosis I § 83 Anm.
  5. Es versteht sich für Philo von selbst, daß Moses keine individuelle, sondern eine allgemein für jedermann gültige Aussage macht.
  6. Λόγος bedeutet sowohl das Denk- als auch das Sprachvermögen; ὁ κατὰ διάνοιαν λόγος ist das „Sprachvermögen der Vernunft“, die innere Sprache der Seele, das reine wortlose Denken, wofür auch λόγος ἐνδιάθετος gesagt wird. In der Parallelstelle Über die Nachstellungen § 38 sagt Philo WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt für φωνητήριον ὄργανον philosophisch korrekter ὁ διὰ φωνητηρίου ὀργάνου γεγωνὼς λόγος das mittels des Sprechorgans vernehmlich werdende Sprachvermögen. „Denn der Mund spricht eigentlich nicht, sondern das Sprachvermögen mittels der Stimme und des Mundes“. Dieser in Worten sich äußernde λόγος heißt auch λόγος προφορικός oder λόγος ὁ κατὰ προφοράν. Vgl. außer der genannten Stelle noch Über die Geburt Abels § 12, wo Philo Moses' Verstummen gegen die Sophistik verwertet. Vgl. auch De migratione Abr. § 12.