Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang | |
|
unsicherer Meinung schweben und zum leeren Räume hinabsinken, in nichts von trügerischen Träumen unterschieden? 173 Willst du aber nicht die Schicksale der einzelnen Menschen untersuchen, (so durchforsche) die Wandlungen ganzer Länder und Völker zum Besseren wie auch zum Schlechteren. Einst blühte Hellas, aber die Makedonier nahmen ihm seine Macht. Makedonien wieder blühte auf, aber in einzelne Teile zersplittert, verlor es seine Kraft, bis es vollständig zerstückelt wurde. 174 Vor den Makedoniern war das Reich der Perser vom Glücke begünstigt, aber ein einziger Tag vernichtete ihr volkreiches, großmächtiges Königtum, und jetzt herrschen Parther, einstmals ihre Untertanen, über die Perser, die noch vor kurzem ihre Fürsten waren. Einst blähte sich Ägypten herrlich und weit, doch wie eine Wolke ging sein großer Wohlstand dahin. Was ist aus den Äthiopern geworden, was aus Karthago und dem libyschen Reich? Was sind die Könige von Pontus? 175 Was ist Europa und Asien und, um es kurz zu sagen, die ganze Welt? Wird sie nicht nach oben und unten gejagt und gestoßen wie ein Schiff auf hoher See, das bald günstigen, bald aber auch widrigen Winden gehorcht?[1] 176 Denn es dreht sich im Kreise der göttliche Logos, den die meisten Menschen Schicksal nennen; und dann strömt er jeweils über Staaten und Völker und Länder dahin und teilt den Besitz der einen den andern und den aller allen zu, durch den Zeitenwechsel allein den Besitzstand der Einzelnen vertauschend, auf daß die ganze Welt, wie ein einzelner Staat, die Demokratie, die beste der Verfassungen, genieße.[2] [37] 177 Es gibt also kein Werk und kein Ding aus menschlichem Bemühen, sondern ein Schatten ist's, und ein Wind, der vorüberfährt, bevor er nur angehalten hat. Denn er kommt und geht wieder dahin wie bei Flut und Ebbe; denn das zurückebbende Meer wird manchmal mit Sturmesbrausen gewaltsam getrieben und sich ergießend macht es das bisherige Festland zum See; manchmal aber auch weicht es zurück und verwandelt einen großen Teil des Meeres in Land. 178 So lenkte auch manchmal [299 M.] der Wohlstand, der ein großes 178 und menschenreiches Volk überschwemmte, den Lauf seines Stromes ab und ließ auch nicht einen kleinen Tropfen zurück, damit auch
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/38&oldid=- (Version vom 27.2.2022)