Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang | |
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werden. 129 Nun bedeutet der zwiefach geartete und zwei Farben hervortreibende Aussatz die mit Absicht begangene Schlechtigkeit; denn obwohl die Seele in sich selbst die gesunde, lebendige und rechte Vernunft besitzt, macht sie von ihr, als ihrem Steuermann, keinen Gebrauch zum Heile des Guten, sondern liefert sich selbst Leuten aus, die der Schiffahrt unkundig sind, und richtet das ganze Lebensschiff zugrunde, das unter heiterem Himmel und in Windstille hätte gerettet werden können. 130 Der sich in eine einzige weiße Art verwandelnde (Aussatz) stellt aber die unfreiwillige Veränderung dar (die dann eintritt), wenn der Geist an seinem Denken ganz und gar verschnitten wurde, so daß vom Denkvermögen keinerlei Same übrig blieb, (wenn er) wie die in Dunkel und tiefer Finsternis Lebenden nichts von dem sieht, was er tun soll, sondern wie ein Blinder unvermutet auf alles stürzt und dauernde Fehltritte und einen unfreiwilligen Fall nach dem andern zu ertragen hat. [28] 131 Dem ähnlich aber ist die Vorschrift über das Haus, in dem der Aussatz oft aufzutreten pflegt; denn es heißt: „Wenn in einem Hause der Aussatz ausgebrochen ist, soll der Besitzer kommen und es dem Priester melden und sprechen: es scheint mir, als ob der Aussatz in dem Hause ausbricht“; dann fügt er hinzu: „und es wird der Priester anordnen, das Haus auszuräumen, bevor der Priester zur Besichtigung in das Haus hineingeht, und nicht wird unrein werden, was in dem Hause ist; und darauf soll der Priester zur Untersuchung hineingehen“ (3 Mos. 14, 34–36). 132 Demnach ist, bevor der Priester hineingeht, das im Hause Befindliche rein, sobald er aber hineingegangen ist, alles unrein; und doch wäre das Gegenteil anzunehmen, (nämlich) daß beim Eintritt eines reinen und vollkommenen Mannes, der die Gebete, Sühnungen und Gottesdienste für alle abzuhalten pflegt, das Innere gebessert und aus Unreinem zu Reinem werde. Nun aber bleibt es nicht einmal in demselben Zustande, sondern wendet sich zur schlechteren Seite nach dem Eintritt des Priesters. 133 Ob diese (Bestimmungen) aber bei wörtlicher, nächstliegender Deutung miteinander vereinbar sind, sollen die untersuchen, denen das gewohnt und lieb ist; ich aber muß dagegen sagen, daß nichts miteinander so gut in Zusammenhang steht, wie die Befleckung des Hauses mit dem Eintritt des Priesters. 134 Solange nämlich die göttliche Vernunft nicht in unsere Seele gewissermaßen wie in eine Wohnung gekommen ist, sind alle ihre Taten schuldlos;[1] denn der Aufseher oder Vater
- ↑ Vgl. Alleg. Erklär. I § 35.
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/30&oldid=- (Version vom 22.2.2022)