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Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/029

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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

Und dennoch, wer weiß es nicht, daß die Schnelligkeit ihres Laufes unübertrefflich sei, da sie doch in einem Tage den ganzen Himmelskreis umkreisen? Ja, in derselben Weise bewegt sich auch der Himmelskreis selbst[1] im Kreise, während er scheinbar stille steht; dagegen wird diese Bewegung von dem gestaltlosen, göttlichen,[2] geistigen Auge erfaßt. [22] 101 Sie werden aber sinnbildlich als solche vorgeführt, die Ziegel brennen: die die Affekte und Untugenden durch warme, geschickte,[3] Vernunfttätigkeit bekräftigen, damit sie niemals aufgelöst werden von den Trabanten der Freiheit, die unabläßlich zu ihrem Niedergang Mittel ersinnen. 102 Deshalb wird auch hinzugefügt „Der Ziegel wurde ihnen zum Stein“ (1 Mos. 11, 3). Denn was in dem nicht von der Vernunft (geförderten)[4] Triebe locker und flüssig war, verwandelte sich in eine widerstandsfühige und zähe Natur, durch kräftige Worte und feste Beweise erhärtert und gestärkt; dadurch wurde das Erfassen von Lehrsätzen gleichsam vermännlicht, das im Knabenalter zerrinnt infolge der Frische der Seele, die noch nicht die aufgenommenen Eindrücke festzuhalten und zu wahren vermag –, „und das Erdharz war ihnen zu Lehm“ (ebd.),[5] nicht aber der Lehm zum Erdharz. 103 Es scheinen nämlich die Schlechten das Schwache gegen die Besseren zu befestigen und das Aufgelöste und dessen Ausflüsse zusammenzuhalten, um aus fester Stellung auf die Tugend abzuzielen und schleudern zu können. Der huldreiche Vater des Alls[6] läßt das Gebilde nicht eine unauflösbare Festigkeit erlangen,[7] indem er das bestandlose Werk des


  1. Wenn Philo das vom (obersten) Himmelskreis Gesagte auf das Weltall überträgt (vgl. § 99), so folgt er der Gleichsetzung von οὐρανός und κόσμος; vgl. Leben Moses II § 99 und Anm.
  2. Wörtlich: göttlicheren – weil es der (geistig vorgestellten) Gottheit näher steht.
  3. Eine Konjektur (vgl. Mangey) ist hier nicht am Platze, da κινητικός dem Worte θερμός entspricht. Vgl. Plut. De pr. frig. 954 F τὸ ψυχρὸν ἔοικε στάσιμον εἶναι, κινητικὸν δὲ τὸ θερμόν.
  4. Unter λόγος ist die § 101 erwähnte, schädliche Vernunfttätigkeit zu verstehen.
  5. Philo verwertet in nicht wiederzugebender Weise den etymologischen Sinn von ἄσφαλτος (Erdharz) = untrüglich. Es ist zum Heil des Menschen, wenn nicht sein „Lehm“, also das Schlechte, untrügliche Festigkeit gewinnt, sondern das (scheinbar) Untrügliche als „Lehm“, also als unverläßlich, erwiesen wird. I. H.
  6. Ich vermute τῶν ὅλων statt τῶν καλῶν.
  7. Daß hier ἐκνικᾶν zu lesen ist, zeigt § 104.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/029&oldid=- (Version vom 1.8.2018)