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Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/19

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Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn

unter allen Sinnen, da durch ihn allein die schönsten Dinge, die Sonne, der Mond, der ganze Himmel und die Welt, wahrgenommen werden; aber das Sehen vermittelst des führenden [10 M.] Teils der Seele überragt alle ihn umgebenden Kräfte; das ist die Einsicht, das Auge des Geistes. 58 Wem es aber gelang, nicht blos alles andere in der Natur wissenschaftlich zu erfassen, sondern auch den Vater und Schöpfer des Alls zu schauen, der mag überzeugt sein, dass er den Gipfel der Glückseligkeit erreicht hat; denn Höheres als Gott gibt es nicht, und wenn einer, das Auge der Seele auf ihn gerichtet, bis zu ihm gelangt ist, so möge er wünschen, dass dieser Zustand dauere und anhalte. 59 Denn die Wege, die hinaufführen, sind mühsam und langsam, der Weg bergab dagegen, auf dem man mehr hinabstürzt als hinabgeht, ist schnell und leicht. Es gibt nun viele Dinge, die uns mit Gewalt hinabziehen; aber sie erreichen nichts, wenn Gott mit seinen Kräften die Seele emporhebt und mit mächtiger Wucht zu sich heranzieht.

[13] 60 Soviel sei im allgemeinen über die drei Männer vorausgeschickt. Wir müssen nun sagen, worin ein jeder im besonderen sich ausgezeichnet hat, und beginnen mit dem ersten (Abraham). Nachdem dieser ein eifriger Anhänger der Frömmigkeit, der höchsten und wichtigsten Tugend, geworden war, bestrebte er sich Gott zu folgen und seinen Befehlen gehorsam zu sein, indem er als dessen Befehle nicht blos die ansah, die durch Wort und Schrift kundgetan werden, sondern auch die, welche die Natur in deutlichen Zeichen offenbart, und die der wahrhaftigste der Sinne (das Auge) eher als das unzuverlässige und unsichere Ohr in sich aufnimmt. 61 Denn wer die in der Natur herrschende Ordnung und die über jede Beschreibung erhabene Verfassung der Welt betrachtet, der lernt, ohne dass jemand ihm ein Wort sagt, ein gesetzestreues und friedliches Leben führen, das darauf abzielt, dem Vorbild edler Männer gleichzukommen. Am deutlichsten aber sind die Beispiele der Frömmigkeit, die die heiligen Schriften enthalten. Als erstes müssen wir das nennen, was auch an erster Stelle steht. [14] 62 Als ihn ein göttlicher Befehl traf, das Vaterland, die Verwandtschaft und das väterliche Haus zu verlassen und

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/19&oldid=- (Version vom 11.5.2019)