du, o Mensch! denn größer als Er, der dich erschaffen hat? Kannst du den Gott, der dir den Athem gab, den großen Richter aller Handlunngen deines Lebens, mit du anreden, und sobald du dich von deinen Knien erhoben hast, einen Mitchristen beleidigen, weil er dich Erdenwurm mit eben der Sprache anredet, worin du so eben zu deinem Gott geredet hast? Ist dieses nicht eine Anmaßung ohne Gleichen? – Zu Jemand du zu sagen, ist aber entweder ein Zeichen von zu vieler oder zu weniger Achtung. Ist es zu viel Achtung, die wir dadurch beweisen, so werde darüber nicht zornig und mache uns deshalb keine Vorwürfe, sondern lehne es mit Ernst und Demuth von dir ab. Scheint es dir aber zu wenig auszudrücken, warum erzeigst du denn Gott keine größere Achtung? O! wohin hat doch der Mensch sich verstiegen! Zu welchem Gipfel will sein Stolz sich erschwingen! Er verlangt größere Achtung von seinen Nebenmenschen, als er selbst Gott erweiset. Heißt das nicht für mehr als einen Gott gehalten seyn wollen? Indessen dürfte es ihm unter uns eben so sehr an Anbetern fehlen, als es ihm an der Göttlichkeit mangelt, die der Anbetung würdig ist. Wir sind völlig überzeugt, daß der Geist Gottes Niemand anleitet, Ehre von Menschen zu suchen, und noch weniger, dieselbe zu vertheidigen, oder auf Diejenigen zu zürnen, die, aus Gewissenhaftigkeit gegen Gott, Andern keine weltliche Ehrenbezeigungen erweisen dürfen. Und es liegt auch klar am Tage, daß nur die eitlen Gemüther des gegenwärtigen Geschlechts um ihren Hochmuth zu befriedigen, des Gebrauchs der selben sich schuldig machen. Welche Verstellung, was für ein Kriechen und Schmiegen siehet man nicht täglich!
Wilhelm Penn: Ohne Kreuz keine Krone. Georg Uslar, Pyrmont 1826, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Penn_Ohne_Kreuz_keine_Krone.djvu/209&oldid=- (Version vom 1.8.2018)