heidnischen Lüsten leben. So gehören also beide: der Christ, der sich nicht selbst verleugnet, und der zügellose Heide zu einer und derselben Religion. Beide haben freilich verschiedene Gegenstände, an welche sie ihre Gebete richten, allein ihre Anbetung ist doch nur erzwungen, und bloße Zeremonie; denn die Gottheit, die sie im wahren Sinne verehren, ist der Gott dieser Welt, der große Beherrscher der weltlichen Lüste und Begierden. Vor ihm beugen sie sich mit allen Kräften der Seele und der Sinne. Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen, und wie sollen wir unsere Zeit hinbringen? Auf welche Art können wir uns Reichthum erwerben? Wodurch können wir unsere Macht vergrößern, unsere Besitzungen ausdehnen, unsere Namen und Familien in der Welt berühmt machen und verewigen? – Diese niedrige Sinnlichkeit faßt der geliebte Apostel Johannes sehr kurz und nachdrucksvoll in einigen Worten zusammen: "Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Leben," sagt er, "sind nicht vom Vater, sondern von der Welt,"[1] die im Argen liegt.
§. 3. Es ist eine traurige Bemerkung, aber durchaus nicht zu leugnende Wahrheit, daß diese weltlichen Lüste die Gegenstände des Nachsinnens, der Sorge und der Unterhaltung des größten Theils der unglücklichen Christenheit ausmachen, und – was das Elend noch vergrößert – mit der Zeit zugenommen haben. Denn, so wie die Welt älter geworden ist, hat sie sich auch verschlimmert. Die Beispiele früherer ausschweifenden Zeitalter, und die daraus zu ziehenden beklagenswerthen
- ↑ 1 Joh. 2, 16.
Wilhelm Penn: Ohne Kreuz keine Krone. Georg Uslar, Pyrmont 1826, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Penn_Ohne_Kreuz_keine_Krone.djvu/012&oldid=- (Version vom 1.8.2018)