Gesellschaft abwechselnd, darunter eine Lady George. Selbst die Gräfin mischte sich einmal als Herr in den Schrittanz und besprengte zum Schluß die um sie Stehenden mit duftendem Bergamottöl. Nach einem lustigen Großvatertanz zog sie sich um 1 Uhr zurück. Unter den Damen saß eine in einer grün ausgemalten Nische. Julius war so begeistert von ihrem Profil, daß er ihr sagte, sie komme ihm wie Diana vor. Sie schien das „aber nicht zu kapieren“.
Mit einer gewissen Regelmäßigkeit wurden die Tanzfeste in der Singakademie und in der Harmonie besucht. In dieser ging es damals noch recht einfach zu. Eines Abends singen dort „Tyroler“, 3 Mädchen und ein Mann. Hervorgehoben wird einmal ein vom Weimarer Kapellmeister Hummel geleitetes Konzert, sowie ein Duett, das die Kammermusiker Schubert und Kummer – letzterer aus der bekannten Künstlerfamilie – viel beklatscht, auf Violine und Bratsche spielten. Einmal deklamiert der „andere“ Devrient, ob Eduard, Emil oder Karl, bleibt ungewiß. Zur Tafel bringen die Mitglieder der Gesellschaft, so auch der Stadtrat Rachel, genau wie noch der Weinhändler Piepenbrink in Gustav Freitags Journalisten, den eigenen Wein mit; er wird von den von ihm eingeladenen Gästen für Madeira gehalten. – Einfacher sind die Leistungen der Singakademie; wie so oft, ist auch dieser Musikverein eine Verbindung von Kunst- und Geselligkeitspflege, wobei denn oft weder das eine, noch das andere zur vollen Entfaltung kommt. So heißt es auch: es wurde russische Motion gespielt; zu Sylvester der Sprung ins neue Jahr; von einem dritten Abend heißt es: es war schauderös langweilig.
In jedem Winter gab es für ihn und seinen jüngeren Bruder ein wichtiges Fest: der Maskenball oder die „Redoute“ beim Hofrat Pienitz. Dieser damals sehr angesehene Arzt (med. practicus), mit dem der Vater Rachel sehr befreundet war und oftmals jagen ging, wohnte mit seinem Sohne, Dr. Pienitz jun., auf der Pirnaischen Gasse 227. Der jüngere Bruder Gustav ging einmal als Pole, ein andermal als Korsar, ein drittes als Romeo verkleidet. In seinem Stolze ging er wohl vor dem Balle zur Familie Blöde, um sich den Mädchen des Hauses
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/109&oldid=- (Version vom 8.3.2024)