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Seite:PatkanjanDreiErzählungen.pdf/31

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bringt ein hübsches blondes, blauäugiges Kind von strahlend weisser Gesichtsfarbe zur Welt. Es war klar, dass das ein Bastard war. Wenn du willst, da zähle die Monate und dann ist ja Lasar ziemlich bräunlich im Gesicht, hat rabenschwarze Haare und seine verstorbene Frau war auch nicht weisser. Man hatte da gar nichts zu bezweifeln. Lasar schwieg, liess kein Wort vernehmen, aber die Verwandten flüsterten im Stillen, dass das neugeborene Kind ein Bastard sei. Als die Hebamme Lasar fragte, was für einen Namen er dem Töchterchen geben wolle, sagte er: „Katherine soll es heissen; mag das Kind den Namen der Mutter tragen, damit die Erinnerung an sie bleibe, wenn sie sterben sollte.“ – „Was ist das für ein Gerede?“ sagte die Hebamme erschrocken. „Warum soll die Arme sterben?“

„Das steht bei Gott!“ antwortete Lasar. Man trug das Kind in die Kirche und die Pfaffen tauften es bei Kerzenschein, unter lautem Beten und Singen. Nach neun Tagen steht die Wöchnerin gesund und munter auf, aber Mann und Frau sprechen kein Wort zu einander. Jedes hat etwas im Herzen. Schweigend sitzen sie zusammen, schweigend essen sie und legen sich schlafen, aber nicht zusammen und so vergeht noch ein Monat.

Empfohlene Zitierweise:
Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)