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Seite:PatkanjanDreiErzählungen.pdf/109

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gewöhnt. Aber diesmal flüsterte mir eine innere Stimme zu: Folge diesem Leichenwagen! Habe Mitleid, zwar nicht mit dem Verstorbenen, der desselben nicht mehr bedarf, aber mit dieser vereinsamten Waise, die vielleicht ihre letzte Lebensstütze zu Grabe geleitet!

Ich weiss selbst nicht, ob es ein religiöses Gefühl oder die Anwesenheit des jungen Mädchens war, die mich zum Mitgehen bewog, und so folgte ich dem armen Leichenzuge, ohne mir selbst darüber Rechenschaft abzulegen. Weder das Mädchen noch die beiden Frauen beachteten mich und alle schienen mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein.

Von Zeit zu Zeit warf ich einen versteckten Blick auf das Mädchen und bemerkte, dass sie schön und von hoher Gestalt war. Ihre Taille war schlank, ihre Gesichtszüge edel und ausdrucksvoll, die Haare dunkel und die schwarzen Augen von schön gebogenen Brauen umrahmt. Ihr Gang war sicher und würdevoll und obgleich ich an ihrer Kleidung sah, dass sie die Tochter armer Eltern war, so erkannte ich doch wieder an ihren Gesichtszügen, dass sie einer vornehmen Familie angehören müsse. Hierin lag für mich ein Geheimnis, welches ich vergeblich zu erraten mich bemühte. Doch die innere Stimme, welche oft in schwierigen

Empfohlene Zitierweise:
Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/109&oldid=- (Version vom 1.8.2018)