alten Heiligen an den Wänden schienen wenig erbaut von der hastigen Schmaußerei an diesem geweihten Orte, wo noch vor kaum vierhundert Jahren fromme Mönche sich in aller Ruhe eines maßvollen Fastens befleißigt hatten: sie wandten sich mit verzweifelten Geberden von dem weltlichen Treiben der neuen Klostergäste ab. Das Sprichwort: Plenus venter non studet libenter augenscheinlich Lügen strafend, strömten die Lernbegierigen dann hinaus auf den geräumigen Paulinerhof, von wo beim Glockenzeichen die Hörsäle im Bornerianum und im Konviktshause schnell zu erreichen waren, und vereinigten sich in losen Gruppen zu lauter Unterhaltung, die zu einem tausendstimmigen Bienengesumme zusammenfloß. Nach zehn Minuten lebendigen Gewimmels war alles wie weggeblasen, erst nach Ablauf der Stunde geriet das Bienenvolk wieder in Bewegung. Zur Mittagszeit tauchten unter den Massen auf dem Hofe immer zahlreicher die bunten Mützen auf, von deren Trägern wohl manche bis in die Nacht hinein notwendig zu tun gehabt hatten und daher etwas spät aufgestanden waren. Unter diesen gab es ein lebhaftes verbindliches Grüßen, während sich die sogenannten Finken im Hutlüften, auch vor hohen Herren, nicht so eifrig betätigten. Das veranlaßte einmal den zum Rector magnificentissimus erwählten König Albert bei seinem Besuche der Universität gegenüber dem ihn begleitenden Rector magnificus zu der verwunderten Frage, ob die denn Sperlinge unter den Hüten hätten?
Während ich auf dem nach allen Richtungen durchfurchten Boden des Studiums noch etwas unsicher umherblickte, fand mein Trieb zur Geselligkeit bald festen Grund: ich wurde Pauliner. Schon seit Jahren war der Universitätssängerverein
Otto Richter: Lehrjahre eines Kopfarbeiters. Verlag der Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha von Baensch Stiftung, Dresden 1925, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Richter_Lehrjahre_eines_Kopfarbeiters.pdf/72&oldid=- (Version vom 4.6.2024)