Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens | |
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Waren Gründe dafür vorhanden? Vielleicht doch …
In allen Städten Rußlands von Petersburg und Moskau bis zu den dunkelsten Provinzstädten konnte man unter der Diktatur der Sowjets den neuauferstandenen Glauben an den Teufel erkennen. Er war sogar durch die Sowjetbehörden und einige private Zirkel halb offiziell unterstützt, da es in ihrer Absicht lag, dadurch das Christentum zu vernichten, der Kirche einen Stoß zu versehen und den alten Glauben, der so manche ethische Grundlagen besitzt und daher den Ideen des rationalistischen Kommunismus feind ist, abzuschwächen. Der Teufelskult hat zuerst bei der Jugend angefangen. Da wurde die Geschichte des Julian Apostata gelesen, ebenso die Werke über die Teufelsanbeter aller Jahrhunderte. Man vertiefte sich in die Kulte des babylonischen Baal und suchte die Künste des geheimnisvollen, teuflischen Cagliostro zu verstehen, man blätterte in der Geschichte der schwarzen Magie, der Kabala, man übersetzte Stücke aus der Geschichte der heiligen Inquisition, als diese mit dem Teufelskult in Spanien und Holland im Kampfe lag.
Diese Studien haben den Boden für die Annahme der Antithese des Christus vorbereitet: des Teufels Beelzebub, des Antichrist und des Satans Mephisto.
Es begann jetzt ein unerhörtes Bacchanal auf moralisch-religiöser Grundlage. Man feierte schwarze Messen, wobei man die Kommunion in der Gestalt von Menschenblut reichte, und zwar in einer widerwärtigen, unmoralischen, degenerierten, psychisch bis ins Mark verderbten Form.
Auch haben sich Priesterinnen des Teufels eingefunden, zumeist aus dem Kreise der Kabarettschauspielerinnen und der Kokotten. Aus den Tiefen der Gesellschaft sind dunkle Gestalten aufgetaucht, die sich der Teufelswissenschaft widmeten, Popen, die ihrer Würde wegen ihrer Zügellosigkeit beraubt waren, dann deklassierte, in Wahnsinn verfallene, halbbetrunkene Mönche und sogenannte Gelehrte, die ihr Leben lang den Diabolismus studiert zu haben vorgaben.
Da ist in Petersburg eine Priesterin des Teufels berühmt geworden, eine gewesene Schauspielerin aus Odessa, eine gewisse Irene Heinzei, deren Name in Wirklichkeit ein anderer und welche im Gefängnisse der Bolschewiken in Ufa die Aufseherin gewesen war, wo sie sich durch Grausamkeiten auszeichnete, die Gegner der Sowjets quälend und sie eigenhändig niederschießend. Ihre Ausgelassenheit, ihre
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/88&oldid=- (Version vom 15.9.2022)