Der Gesundheitszustand ist als ein günstiger zu bezeichnen; eigentlich endemische Krankheiten kommen nicht vor; auch größere Epidemien sind eine Seltenheit; die letzten Berichte über Epidemien von Schleimfieber und Typhus an einzelnen Orten, wie Jux mit Roßstaig, Groß-Erlach, Oppenweiler, stammen vom Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre; in den letztgenannten Jahren war die Kräze in einem großen Theil des Bezirks wahrhaft epidemisch verbreitet; seit neuerer Zeit macht sich aber dieses Übel nicht mehr in auffallender Weise fühlbar. Epidemische Kinderkrankheiten, wie Masern, Scharlachfieber, Keuchhusten, stellen sich, wie überall, von Zeit zu Zeit ein, gelangen aber nicht wohl zu größerer Ausdehnung.
Die Pocken erreichten im Bezirke im Jahr 1870 an mehreren Orten, namentlich in Backnang, Ober- und Mittel-Brüden, Steinbach, einen größeren Umfang; die Gesamtzahl der zur Kenntniß gekommenen Pockenfälle betrug 168 mit 23 Sterbfällen.
Unter den akuten Krankheiten sind vom Herbste an über den Winter bis ins Frühjahr die Brustkatarrhe wie die Entzündungen des Brustfells, der Bronchien und der Lunge die herrschenden; namentlich sind unter den Kindern die Branchiten sehr häufig, während Croupfälle seltener beobachtet werden. Über den Sommer herrschen die Katarrhe der Magen- und Darmschleimhaut, mit und ohne Fieber, vor; zuweilen steigern sie sich zur Brechruhr, welche unter den kleinen Kindern fast jeden Sommer stärker auftritt, und häufig zahlreiche Opfer fordert; dagegen ist die Ruhr eine seltener gesehene Krankheit.
Akute Gelenksrheumatismen werden im Murrthale fast das ganze Jahr hindurch beobachtet.
Von chronischen Krankheiten ist vor allen die Wassersucht anzuführen, welche am häufigsten durch Lungenkatarrhe und Fehler der Herzklappen, weniger durch Affectionen der Leber bedingt ist; Lungenemphyseme kommt nicht häufig vor, öfter Lungentuberkulose und Lungenschwindsucht. Unter den Krankheiten des weiblichen Geschlechts ist die Bleichsucht eine selten vorkommende, Blutarmuth ist unter der ärmern Klasse häufiger; auch weißer Fluß kommt im mittleren und späteren Alter häufig zur Behandlung. Die Zahl der künstlichen Geburten ist im Verhältniß zu andern Bezirken keine allzugroße.
Die Zahl der im ersten Lebensjahre Gestorbenen ist eine verhältnisnnäßig große, sie beträgt meist über ein Drittheil sämtlicher Gestorbenen; die Zahl derselben schwankt aber je nach den herrschenden Kinderkrankheiten. Was die Ernährung betrifft, so sind in dieser Beziehung gegenüber von andern Bezirken keine besondere Mißbräuche zu bemerken; das Säugen der Mütter ist fast durchgängig Regel, und Ausnahmen sind nur durch besondere Verhältnisse bedingt; im
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Backnang. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1871, Seite 057. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABacknang.djvu/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)