Ich bin kein Kenner von der Malerey, und Sie verlangen, mein Herr, ich soll Ihnen von der letztern Gemälde-Ausstellung in Dresden etwas schreiben. Vielleicht weil die Kenner, oder diejenigen Freunde, welche Sie dafür halten, zu träge sind, Ihrem Verlangen Genüge zu thun? Eine schöne Aufmunterung für uns Unwissende! wir hören treuherzig, was die Gelehrten sagen, und folgen noch treuherziger unsern Empfindungen. Würde mir ein Künstler von seiner eignen Arbeit erzählen, daß er alles, was die Kunst von dem Gegenstande erfordern kann, geleistet habe, so nehme ich es mit aller Ehrerbietung an, weil doch einmal das Sprüchwort rechtskräftig geworden ist, daß man dem Künstler in seiner Kunst glauben müsse. Mit einer tiefen Verbeugung beurlaube ich mich dann von dem Künstler, und gehe, mir selbst überlassen, wohin mein Auge gelockt wird. Und hier, wenn ich darnach urtheilen sollte, sehe ich eben die Gefahr vor mir. Der gelehrte Hr. Alembert mag Unglück oder Wehe über alle die Werke der Kunst ausrufen, deren ganze Schönheit allein für die Künstler ist[1]: sein Ausdruck wird mich nicht schützen.
Um also wenigstens diesesmal nicht wider die Ordnung zu verstoßen, war ich, gegen alle meine
- ↑ Malheur aux productions de l’Art dont toute la beauté n’est que pour les Artistes! Eloge de Mr. de Montesquieu.
Unbekannt: Ueber die Gemäldeausstellung in Dresden vom 5ten März itztlaufenden Jahres 1767. Dyckische Buchhandlun, Leipzig 1767, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neue_Bibliothek_der_sch%C3%B6nen_Wissenschaften_Gem%C3%A4ldeausstellung_Dresden_1767.djvu/1&oldid=- (Version vom 14.10.2024)