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Seite:Mommsen Reden und Aufsätze 1905.pdf/424

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Art eingreifen und es sich gar nicht empfiehlt dieselben ausschließlich in die Hände der akademischen Lehrer zu legen, ist es immer noch ein Schmuck und selbst ein Recht der Universitäten ohne alle Rücksicht auf Nationalität und Lebensberuf rein vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ihre Schüler vor aller Welt frei und im allgemeinen zum Lehramt fähig zu sprechen. Man spricht wohl von der Zwecklosigkeit der akademischen Graduierung; als ob nicht eben dies ihr bestes Vorrecht wäre! Die Wissenschaft hat ja auch keinen Zweck, wenigstens nicht was die praktischen Leute so nennen. Für die lernenden Kreise, und vielleicht nicht minder für die lehrenden, wirkt die Promotion in richtiger Anwendung, wie die Orden im bürgerlichen Leben wirken würden, wenn es möglich wäre das dabei vorschwebende Ideal praktisch zu realisieren, wie die militärischen Dekorationen in der Soldatenwelt in der Tat wirken können. Es wäre in hohem Grade, und nicht bloß für die Universitäten zu bedauern, wenn die Promotionen aufgehoben und auch mit diesem Stück einer stolzen und großen Vergangenheit gebrochen werden müßte. Aber sowohl die Universitätskreise wie das große Publikum sollten sich der Überzeugung nicht verschließen, daß entweder jenem Mißbrauch akademischer Grade gesteuert oder der Doktor den Weg des Magisters gehen muß. Hoffen wir, daß jenes geschieht und dieses abgewandt wird. Wenn von den im ganzen nicht zahlreichen Universitäten, die den Mißbrauch der Promotion ohne mündliches Examen bei sich tolerieren, der einzigen preußischen, welche dieselbe gestattet und den drei oder vier anderen, nur eine die Initiative nähme und die Abschaffung dieses Mißstandes bei der betreffenden Regierung beantragte, so würde ohne Zweifel die ganze Einrichtung fallen. Es möchte dies wie der würdigste, so auch der leichteste Weg sein zum Ziel zu gelangen, wenn also die deutschen Universitäten die Initiative nähmen und damit die deutschen Regierungen sowie die öffentliche Meinung baldigst der Mühe überhöben darüber Erwägungen anzustellen, wie trotz der Universitäten geholfen werden könnte, wenn es durch sie nicht geht.

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Mommsen: Reden und Aufsätze. Weidmann, Berlin 1905, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mommsen_Reden_und_Aufs%C3%A4tze_1905.pdf/424&oldid=- (Version vom 1.8.2018)