in der Mundart gesungen. Besonders die Reime und Spielverse der Kinder, welche ja überall auf deutschem Boden – die Großstädte nicht ausgenommen – die Schriftsprache erst in der Schule lernen. Freilich dringen in jüngerer Zeit durch heimkehrende Burschen, die beim Militär, und durch Mädchen, die in Großstädten gedient haben, immer mehr schriftdeutsche Lieder auch in abgelegene Gegenden ein, wie in den Böhmerwald, in die Sprachinsel Gottschee und zu den Siebenbürger Sachsen. Diese Lieder werden dort zuweilen in die Mundart umgesetzt. Doch auch der umgekehrte Weg wird eingeschlagen, so daß mundartliche Lieder in Städten ins Schriftdeutsche umgesetzt werden. Da dies nicht immer vollständig durchgeführt wird, so zeigen viele Lieder von Schleswig-Holstein bis nach Kärnten und Siebenbürgen ein Gemisch von Schriftsprache und Dialekt. Man kann auch beobachten, daß z. B. Egerländer Lieder ins Erzgebirge dringen und in die dortige Mundart umgesetzt werden. Absichtliche Verwendung von Mundart und Schriftsprache in einem Liede findet nur bei Gesprächsliedern statt, z. B. in der in Tirol und in der Steiermark viel gesungenen „Beichte der Sennerin“.
Was ist nun in Österreich geschehen, um den großen und wertvollen Liederschatz herauszugeben? Ich möchte Sie nicht mit einer langen Liste von Namen und Titeln langweilen, nur auf das Wichtigste muß hier hingewiesen werden. Jedes ganz deutsche oder zum Teil deutsche Kronland in Österreich hat bereits eine oder auch mehrere Sammlungen gezeitigt. Für Niederösterreich besteht nur eine kleine, hauptsächlich aus dem Wienerwald geschöpfte Sammlung von Tschischka und Schottky (1819, 2. Aufl. 1844, Neuausgabe 1906 von Friedrich Krauß, der aber übersehen hat, daß die erste Auflage 43 Lieder enthält, die in die zweite nicht aufgenommen worden sind; außerdem „Kinderlieder“ von Blümml-Wurth (1906). In Oberösterreich haben wir die Sammlung von Anton von Spaun (mit Singweisen, 1845, 3. Aufl. 1882); in Salzburg die von Vinzenz Maria Süß (1865); in Tirol, abgesehen von älteren, zum Teil unverläßlichen Ausgaben, eine jüngere, ungemein wertvolle, durch „Nachlesen“ bis heute ergänzte Sammlung von F. F. Kohl (1899 ff.). In Steiermark ist die letzte Sammlung welche auf den handschriftlichen Liederbeständen des Erzherzogs Johann, sowie auf Vorarbeiten von Weinhold und Rosegger fußt, von Anton Schlossar (1881) herausgegeben worden. Hervorzuheben sind auch A. Werles Almlieder (1884). Kärnten besitzt eine ältere Sammlung von Pogatschnig und Herrmann (1869 f.) und eine neue mit Singweisen von Hans Neckheim (1893); Österreich-Schlesien eine von Anton Peter (1865); Mähren nur eine Sammlung, und zwar die älteste landschaftliche Sammlung von Volksliedern überhaupt, J. G. Meinerts „Lieder aus dem Kuhländchen“ (1817). In Deutschböhmen haben wir drei kleinere landschaftlich begrenzte Sammlungen von A. Paudler „Nordböhmische Volkslieder“ (1877), von A. Kirschner „Gesänge aus dem Aussiger Gau“ (1887) und von John und Czerny „Egerländer Lieder“ (1898/1901) und eine das ganze Land umfassende, sehr reichhaltige Sammlung von Hruschka und Toischer (1891). Für Innerösterreich die „Almer“ von J. G. Seidl (1850), für die Alpen überhaupt die „Schnaderhüpfel“ von L. von Hörmann (1881). Für ganz Deutsch-Österreich sind die großen Verdienste zu rühmen, die sich Regierungsrat Dr. Josef Pommer um unsere gute Sache erworben hat: durch zahlreiche Ausgaben von Volksliedern mit Singweisen, namentlich
Oskar Dähnhardt (Red.): Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde Nr. 8. Richard Hahn (H. Otto), Leipzig 1908, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mitteilungen_des_Verbandes_deutscher_Vereine_f%C3%BCr_Volkskunde_8.djvu/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)