verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8 | |
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aus Gewissensbissen, da eine Ehe mit der Witwe des Bruders nach den Gesetzen der Kirche verboten sei. Der eigentliche Beweggrund neben den politischen Motiven des Systemwechsels war aber seine Liebe zu der schönen Anna Boleyn (s. Anna 1). Nach langem Zögern übertrug Clemens VII. seinen Legaten Wolsey und Campeggio die Untersuchung über die Gültigkeit der Ehe des Königs und bevollmächtigte sie unter gewissen Bedingungen zur Auflösung derselben, hob aber nach einiger Zeit, ehe die Sache entschieden war, infolge seiner Annäherung an Karl V. die Untersuchungskommission wieder auf. H. entsetzte hierauf Wolsey seines Amtes, zog sein Vermögen ein und ließ auf den Rat des Theologen Thomas Cranmer nach dem Gutachten der berühmtesten Universitäten durch einen englischen Gerichtshof seine Ehe mit Katharina für ungültig erklären, worauf er im Anfang 1533 zur Vermählung mit Anna Boleyn schritt. Als der Papst darauf den König zur Verantwortung vor seinen Richterstuhl forderte, entschloß sich H., sein Reich von der geistlichen Oberherrschaft Roms frei zu machen; ja, er ließ sich sogar mit Beistimmung des Parlaments zum Protektor und Oberhaupt der „Anglikanischen Kirche“ (s. d.) ernennen; Cranmer wurde Primas des Reichs. Aber diese Trennung vom Papsttum, an welcher der Bannfluch, den der Papst gegen H. aussprach, nichts änderte, sollte keineswegs eine Lossagung vom Katholizismus bedeuten; dogmatisch blieb H. noch lange Zeit ein Gegner der protestantischen Reformation, deren Anhänger er ebenso fanatisch wie die Roms verfolgte; erst später neigte er sich mehr den Protestanten zu. Der Tod der Königin Katharina (6. Jan. 1536) schien die Streitigkeiten mit dem Kaiser zu beendigen, und wirklich machte dieser H. auch Anträge zur Erneuerung der frühern freundschaftlichen Beziehungen; H. zeigte jedoch wenig Neigung dazu. Um diese Zeit warf der König sein Auge auf das Hoffräulein Johanna Seymour und ließ gegen Anna auf Grund einiger von ihren Feinden erhobener Anklagen auf eheliche Untreue einen Prozeß einleiten, dessen Resultat ihre Hinrichtung 19. Mai 1536 war. Schon tags darauf vermählte er sich mit Johanna Seymour und ließ sodann durch einen Beschluß des stets von seinem Willen abhängigen Parlaments seine beiden frühern Ehen für unrechtmäßig und die daraus entsprossenen Kinder, die Prinzessinnen Maria und Elisabeth, für illegitim erklären. Zugleich räumte ihm das Parlament das Recht ein, seine Krone durch ein Testament zu geben, wem er wollte, sowie alle Güter, Rechte, Ehrenstellen und Freiheiten nach eignem Gutdünken zu verschenken; endlich stellte es fest, daß jeder, der das Ansehen des Papstes verteidigen oder die Oberherrschaft des Königs über die englische Kirche bezweifeln würde, mit dem Verlust seines Vermögens bestraft werden sollte. Neue Versuche der Katholiken, sich zu erheben, endeten 1536 unglücklich. Endlich wurde 12. Okt. 1537 durch die Geburt eines Sohns, des spätern Königs Eduard VI., Heinrichs sehnlichster Wunsch erfüllt, aber schon zwei Tage darauf starb die Königin. Das vom Parlament dem König zugestandene Recht, daß seine Verordnungen die Kraft beständiger Gesetze haben sollten und er die Ungehorsamen nach eignem Gutdünken strafen könne, machte ihn zum unumschränkten Monarchen, und das Leben und Eigentum aller seiner Unterthanen war seiner Willkür völlig preisgegeben. Inzwischen gewann eine wirklich protestantische Partei unter der Führung des Staatssekretärs Thomas Cromwell Einfluß auf den König. Cromwell bestimmte H. zu einer Vermählung mit der Prinzessin Anna von Kleve, deren Vater und deren Schwager, der Kurfürst von Sachsen, wichtige Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes waren. H. ging die Ehe ein, obwohl die Prinzessin ihm äußerlich sehr wenig gefiel. Dieselbe war aber äußerst unglücklich, und sobald H. die Gefahr, die ihm durch einen kaiserlichen Angriff 1540 gedroht, vorübergegangen glaubte, rächte er sich für die ihm angethane Gewalt. Cromwell ließ er vor dem Parlament des Verrats anklagen und ohne Verhör und Beweis für schuldig erklären und hinrichten; von Anna schied er sich gleich darauf, im Juli 1540, und vermählte sich schon im nächsten Monat mit Katharina Howard, einer Nichte des Herzogs von Norfolk, die ihn durch ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit gefesselt hatte und ihn zu einer antiprotestantischen Haltung bewog; doch vermochte auch diese fünfte Gemahlin Heinrichs ihn nicht dauernd zu fesseln, sondern ward der Untreue angeklagt und, schuldig befunden, im Januar 1542 hingerichtet. Ein Krieg mit Schottland erreichte seinen Zweck, auch dort die päpstliche Macht zu stürzen, nicht; ebenso blieb ein zweiter mit dem Kaiser gegen Frankreich 1544 unternommener Krieg ohne günstiges Ergebnis. In demselben Jahr vermählte sich der König, zum sechstenmal, mit Katharina Parr, der Witwe des Lords Latimer, aus dem Geschlecht der Nevils. Da H. nur einen männlichen Nachkommen hatte, so ließ er den beiden früher für illegitim erklärten Prinzessinnen Maria und Elisabeth für den Fall, daß Prinz Eduard ohne Erben sterben sollte, die Thronfolge durch einen Parlamentsbeschluß wieder zusichern. In seiner letzten Lebenszeit scheint H. wieder auf eine Aussöhnung mit dem Papst bedacht gewesen zu sein. Er starb 28. Febr. 1547. Ihm folgte sein Sohn Eduard VI. Vgl. Turner, History of Henry VIII. (neue Ausg., Lond. 1835, 2 Bde.); Thomson, Memoirs of the court of Henry VIII. (das. 1826; deutsch, Leipz. 1827, 2 Bde.); Tytler, Life of King Henry VIII. (neue Ausg., Edinb. 1861); Audin, Histoire de Henri VIII et du schisme d’Angleterre (4. Aufl., Par. 1876); Collette, Henry VIII. (Lond. 1864); Brewer, Calendar of letters, foreign and domestic, of the reign of Henry VIII. (das. 1862 ff.); Derselbe, The reign of Henry VIII. from his accession to the death of Wolsey (das. 1884, 2 Bde.).
[Flandern.] 26) Graf von Flandern und Hennegau, geb. 1174, begleitete 1201 seinen Bruder Balduin auf dem vierten Kreuzzug und wurde, als derselbe 1205 von den Bulgaren gefangen und getötet worden war, zuerst Reichsverweser und dann 1206 als Nachfolger desselben auf den lateinischen Kaiserthron in Konstantinopel erhoben. Er herrschte mild und versöhnlich, erwarb sich das Vertrauen der Griechen und behauptete die Oberhoheit über die lateinischen Vasallenstaaten sowie über Epirus. Gegen die auswärtigen Feinde, die Bulgaren, und den Kaiser Theodor Laskaris von Nicäa kämpfte er glücklich. Er starb 1216.
[Frankreich.] 27) H. I., König von Frankreich, dritter Sohn des Königs Robert und Konstanzes von Toulouse, Enkel Hugo Capets, geb. 1005, war erst Herzog von Burgund und folgte, nachdem er schon 1027 gekrönt und zum Mitregenten ernannt worden, 1031 seinem Vater auf dem französischen Thron. Zwar erregte seine herrschsüchtige Mutter zu gunsten seines jüngern Bruders, Robert, einen Aufstand; H. behauptete jedoch mit Hilfe des Herzogs Robert von der Normandie seine Ansprüche. Seine Regierung ist eine fortlaufende Kette von Kämpfen gegen den Adel und die in
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0319.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2024)